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Chinas Abschied vom Bauernstaat

Danhong Zhang5. März 2004

Zum Auftakt des diesjährigen Volkskongresses in China kann Ministerpräsident Wen Jiabao auf eine florierende Wirtschaft verweisen. Dennoch ruft die Wirtschaftspolitik der Volksrepublik bei Experten nicht nur Lob hervor.

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Armut treibt viele chinesische Bauern in die GroßstädteBild: AP

Staatspräsident Hu Jintao und Premierminister Wen Jiabao, in chinesischen Medien oft in einem Atemzug Hu/Wen genannt, haben sich nach der Amtsübernahme vor einem Jahr nicht gescheut, neben der Bekämpfung der Lungenkrankheit SARS auch heiße Eisen anzupacken, allen voran die Bankenreform. Denn das marode Bankensystem stellt für die chinesische Volkswirtschaft eine tickende Zeitbombe dar.

Drängen auf eine Finanzreform

Das Hauptproblem liegt in der Menge von faulen Krediten. Jetzt macht Peking ernst mit Reformen im Finanzsektor. Ein Zeitplan steht auch schon fest: Bis 2006 müssen die vier Staatsbanken international wettbewerbsfähig sein. Dazu hat sich China im Beitrittsprotokoll zur Welthandelsorganisation WTO verpflichtet. Diesen Zeitplan hält Nicolas Schlotthauer, China-Experte bei der Deka-Bank für durchaus realistisch.

Eine optimistische Einschätzung, die nicht von allen Experten geteilt wird. Schließlich gab es vor fünf Jahren schon einmal eine Rettungsaktion für chinesische Banken, bei der die Erfolge aber schnell wieder im Sande verliefen, da die Kriterien der Kreditvergabe nicht konsequent geändert wurden. Für Cheng Xiaonong, einen in den USA lebenden Wirtschaftswissenschaftler und Chefredakteur der "Modern China Studies", liegt das Haupthindernis der Finanzreform im Zusammenhalt der kommerziellen Interessengruppen mit den politischen Machtinhabern.

Unterstützung für den Bauernstaat?

Eine andere Zeitbombe birgt die soziale Schieflage. Die Früchte der Wirtschaftsreformen sind bislang dem Großteil der Bevölkerung nicht zuteil geworden. So ist das Einkommen der 900 Millionen Bauern in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken. Anfang Februar 2004 widmete das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei diesem Thema ein spezielles "Dokument Nummer Eins". Darin versichert die Regierung, dass die Steuerbelastung der Bauern gesenkt und die Infrastruktur auf dem Lande verbessert werden soll. Außerdem soll verhindert werden, dass weitere landwirtschaftliche Flächen verloren gehen.

Die so genannten Schaufensterstädte wie Peking und andere Metropolen an der Südostküste haben von der Öffnungspolitik sehr viel stärker profitiert als das Landesinnere. Das war auch so gewollt von der Regierung, denn hier konzentriert sich die politische, wirtschaftliche und die intellektuelle Elite des Landes.

Eine rasante Entwicklung dieser Städte dient dem Machterhalt der Kommunisten und lockt ausländische Investoren nach China. Cheng Xiaonong glaubt deshalb nicht, dass die Zentralregierung diese Politik aufgeben würde zu Gunsten der Bauern. Im "Dokument Nummer Eins" sieht er lediglich ein Lippenbekenntnis, das nur kleine kosmetische Eingriffe an einzelnen Maßnahmen vornehme. Korrekturen am System müssten aber politische Reformen nach sich ziehen. Dazu fehlt Hu/Wen der Mut.

Wunderbares Wirtschaftswachstum

Mut hat die Regierung bewiesen in der Auseinandersetzung um die chinesische Währung mit den USA. Die Bush-Administration wirft China vor, den Renminbi-Kurs künstlich niedrig zu halten, um sich Handelsvorteile zu verschaffen. Und das "Wall Street Journal" berichtete vor kurzem, dass die chinesische Zentralbank seit Wochen dabei ist, den Korridor für die Schwankungen des Renminbi zu erweitern. Allerdings nicht, um George W. Bush im Wahlkampf zu unterstützen, sondern damit sich die eigene Wirtschaft nicht überhitzt.

Die Haltung der neuen chinesischen Führung in dieser und anderen wirtschaftlichen Fragen hat tatsächlich viele westliche Experten so überzeugt, dass hier die vorherrschende Meinung lautet, die chinesische Wirtschaft ist bei der neuen Führung in guten Händen. Dennoch blickt der Journalist Cheng Xiaonong pessimistisch in die Zukunft der chinesischen Wirtschaft. Nach seiner These kann man das dortige Wachstum nicht mit dem der Industrienationen vergleichen. Sieben bis acht Prozent Wachstum entspreche nur ungefähr zwei bis drei Prozent im Westen. "Wenn die ausländischen Firmen dieser oberflächlichen Prosperität keinen Glauben mehr schenken, dann wird China enorme Schwierigkeiten bekommen. Aber zwischen Schwierigkeiten und einem Zusammenbruch ist noch ein gewaltiger Unterschied."