China sticht Taiwan in Afrika aus
16. April 2016Der kalte Krieg ist vorbei? Nicht, so scheint es, zwischen Taiwan und der Volksrepublik China. Seit der Gründung der Volksrepublik China 1949 suchen sowohl deren Regierung in Peking als auch die taiwanesische Regierung in Taipeh internationale Anerkennung als offizielle Vertretung Chinas. Ein diplomatischer Wettstreit ist entbrannt, der bis heute anhält. Eine der Spielregeln: Staaten können nur zu einem der beiden Länder diplomatische Beziehungen haben. In den meisten Fällen ist das die Volksrepublik China, die Taiwan als abtrünnige Provinz betrachtet.
In Afrika hatte Taiwan zunächst die Nase vorn. Insgesamt 30 afrikanische Länder pflegten zu verschiedenen Zeiten eine Beziehung zu dem Inselstaat. Doch im Kampf um die afrikanische Zuneigung besticht die Volksrepublik China mehr und mehr mit ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten. Heute ist die Zahl von Taiwans afrikanischen Partnern auf ein Zehntel geschrumpft: Nur Burkina Faso, Sao Tomé & Príncipe und Swasiland erkennen das Land noch an. Jüngste Ereignisse in Kenia und Gambia zeigen, wie angespannt die Lage ist.
Kenia: Klares Bekenntnis zum Wirtschaftspartner China
Kenia sorgte kürzlich für diplomatische Verstimmungen, als es 45 Taiwanesen in die Volksrepublik China abschob. Sie gehörten zu einer Gruppe, die im November 2014 festgenommen wurde. Die Vorwürfe: Cyberkriminalität und abgelaufene Visa. Anfang der Woche hatten Videos der Häftlinge die Runde gemacht, die sich in ihrer Zelle verbarrikadierten, um der Abschiebung zu entgehen. Nun will China ihnen den Prozess machen. Kenia gab offenbar dem Druck seines wichtigen Wirtschaftspartners nach: Chinesische Firmen sind maßgeblich an mehreren großen Infrastrukturprojekten in Kenia beteiligt. "Wir haben keine offiziellen Beziehungen zu Taiwan", sagte Kenias Außenministerin Amina Mohamed.
Gambia: Pekings jüngster Partner in Afrika
Gambia hat die Seiten gewechselt und seine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan gelöst: Im Jahr 2013 erklärte Präsident Yahya Jammeh, er wolle fortan lieber mit Peking zusammenarbeiten. Doch die Volksrepublik lehnte zunächst dankend ab. Seit im Jahr 2008 mit Ma Ying-jeou ein China-freundlicher Präsident in Taiwan das Ruder übernommen hatte, gab es zwischen beiden Ländern ein Stillhalteabkommen: Kein Land sollte dem anderen seine diplomatischen Partner streitig machen. Der gambische Präsident war über diese Absprache offenbar nicht im Bilde. Doch China blieb der Abmachung treu - bis zum vergangenen März, als es doch noch die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit Gambia unterzeichnete. Beobachter werten diesen Schritt als Drohgebärde der Volksrepublik China gegenüber der designierten neuen Präsidenin von Taiwan, Tsai Ing-wen. Ihre Partei fordert offiziell die Unabhängigkeit des Inselstaats.
Sambia: Die China-Taiwan-Frage als Wahlkampfthema
Auf den Machtwechsel in Taiwan könnte ein erneuter Wettstreit zwischen China und Taiwan folgen. Nicht unwahrscheinlich, dass China - wenn nötig - Druck auf seine Partner in Afrika ausüben wird. Das geschah bereits 2006 in Sambia. Damals kritisierte der sambische Präsidentschaftskandidat Michael Sata die Arbeitsbedingungen in chinesischen Firmen im Land und deutete an, bei einem Wahlsieg den diplomatischen Schwenk zu Taiwan zu vollziehen. Peking konterte und drohte seinerseit: Sollte Sata gewinnen, werde China seine diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Land aussetzen. China ist in der Rohstoffförderung ein wichtiger, wenn auch umstrittener Partner des kupferreichen Landes.
Die britische Zeitung "Telegraph" erklärte die Wahlen in Sambia damals zum "Referendum um China". Die Wahl 2006 gewann der damalige Amtsinhaber Mwanawasa. Erst 2011 wurde Sata zum Präsidenten gewählt - und hielt entgegen seiner Ankündigung die diplomatischen Beziehungen zu Peking aufrecht.
Swasiland: Einer der letzten Verbündeten Taiwans
Afrikas letzte Monarchie setze nicht zuletzt auf den demokratischen Partner in Fernost, um sein eigenes Image aufzubessern, schreiben Timothy Rich und Vasabjit Banerjee in einer Studie des Hamburger GIGA-Instituts. Im Gegensatz zu Sambia hat das kleine Land keine nennenswerten Rohstoffvorkommen, für die der chinesische Absatzmarkt interessant wäre. Der Verzicht auf die Beziehungen zu Taiwans großem Nachbarn China dürfte Swasiland also nicht ganz so schwer fallen. Von Taiwans Entwicklungshilfe kann es hingegen profitieren: So fielen im Jahr 2012 Computer aus Taiwan im Wert von 300.000 US-Dollar und Reis im Wert von mehr als 150.000 US-Dollar für das kleine Königreich im südlichen Afrika ab.
Südafrika: Schwieriger Spagat
Taiwan war einst auch wichtiger Partner des südafrikanischen Apartheid-Regimes, während China den Anti-Apartheid-Kampf des Afrikanischen Nationalkongress (ANC) unterstützte. So überraschte es nicht, als die südafrikanische Regierung 1998 - wenige Jahre nach dem politischen Wechsel - ihre Verbindungen zu Taiwan aufkündigte und die Volksrepublik China diplomatisch anerkannte.
Südafrikas damaliger Präsident Nelson Mandela war zunächst darum bemüht, die Verbindungen zu Taipeh parallel aufrechtzuerhalten. Das zeigt eine Studie des südafrikanischen Zentrums für Chinastudien (CSS). Doch für Peking war das undenkbar, käme es doch einer Anerkennung von Taiwans Unabhängigkeit gleich. Immerhin gelang es, gute wirtschaftliche Beziehungen aufrechtzuhalten. Taiwan hat weiter Verbindungsbüros in Pretoria und Kapstadt. Doch Taiwanesen sei der Zugang zum südafrikanischen Markt durch den Schwenk deutlich erschwert worden, sagt Sven Grimm, Autor der Studie: Schließlich sei es Wirtschaftsvertretern des Inselstaates fortan nicht mehr möglich, ihre Angelegenheiten direkt mit Ministern zu besprechen. Der diplomatische Kodex lasse das nicht zu.
Auch in Südafrika hat Taiwan damit das Rennen gegen die Übermacht China gleich in mehrfacher Hinsicht verloren. China wurde zu einem von Südafrikas wichtigsten Wirtschaftspartnern und zum Verbündeten in der Gruppe der fünf BRICS-Staaten, die gemeinsam die wirtschaftliche und politische Vormachtstellung der Industrieländer infrage stellen. Der ANC pflegt seinerseits eine enge Partnerschaft zu Chinas kommunistischer Partei.