China: Gehört Unterwerfung zum Geschäft?
11. Oktober 2019Das Symbol für Unterwerfung in China ist der sogenannte Kotau. Das Online-Lexikon Wikipedia definiert den Kotau so: "Dabei wirft sich der Grüßende in gebührendem Abstand vor dem zu Begrüßenden nieder und berührt mehrmals mit der Stirn den Boden. (...) Nach der Vollführung des Kotaus blieb man häufig in kniender oder sitzender Körperhaltung."
Das abschließende Verharren in der Demutshaltung gegenüber der Autorität - früher waren das der Kaiser oder seine Beamten, heute sind es die kommunistischen Machthaber - ist dabei entscheidend. Der eigentliche Kotau ist nur eine ritualisierte Geste, die folgende Demutshaltung dagegen das wahre Ziel der Turnübung.
In China ist alles politisch
Die Staatspartei sieht das Land inzwischen in einer Position, von (fast) jedem Unterwerfung einfordern zu können. China ist die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, nach den USA. Und wer auf dem Markt mit mehr als einer Milliarde potenzieller Kunden mitspielen möchte, darf es sich mit den Machthabern nicht verderben.
Bernhard Bartsch, Asien-Experte bei der Bertelsmann-Stiftung, formuliert das Dilemma für westliche Unternehmen im Gespräch mit der DW so: "Wer in China Geschäfte machen will, muss den Regeln der Kommunistischen Partei folgen. Und in China ist das Wirtschaftsleben immer sehr politisch."
Die Partei fürchtet sich schnell
Wie politisch es wirklich ist, musste vor knapp zwei Jahren der schwäbische Autobauer Daimler erfahren, als er mit dem Satz warb: Man müsse ein Problem nur von allen Seiten betrachte, dann werde man offener. Dieser "Lebensweisheit" wollte niemand widersprechen. Nicht einmal die kommunistische Partei Chinas. Allerdings hatte die Werbeagentur den Urheber des Zitates erwähnt. Es handelte sich um das geistliche Oberhaupt der Tibeter, um den Dalai Lama.
Das wollte die Kommunistische Partei nicht hinnehmen, weil der Geistliche als Staatsfeind gilt, der die staatliche Souveränität der Volksrepublik China bedroht. Daimler wurde zu einer Entschuldigung gezwungen, die Autobauer mussten einen Kotau machen. Zweimal warfen sich die schwäbischen Geschäftsleute öffentlich vor den roten Kaisern in den Staub.
Zankapfel Taiwan
Nicht nur den Namen des Dalai Lama sollte man nicht unbedacht verwenden, auch die Erwähnung der Insel Taiwan reicht, um den Zorn von Pekings Kommunisten zu erregen. Für China existiert Taiwan als Staat nämlich nicht, der Inselstaat gilt lediglich als abtrünnige Provinz.
So veränderte der US-Smartphonebauer Apple in seiner neuesten Version des Betriebssystems iOS das sogenannte Emoji-Keyboard. Damit kann man Länderflaggen auswählen und in Texte übernehmen. Seit einiger Zeit schon war die Taiwan-Flagge auf keinem in China verkauften Apple-Gerät installiert, seit dieser Woche auch nicht mehr in den Geräten, die in Hongkong und Macao verkauft werden. Apple hat sich dazu bislang nicht geäußert.
Außerdem musste Apple in dieser Woche (10.10.2019) eine Smartphone-App kassieren, mit deren Hilfe sich Demonstranten in Hongkong darüber informieren konnten, wo in der Stadt die Polizei gerade aufmarschiert. In Sachen Hongkong reagiert Peking gerade besonders sensibel.
Mode schützt vor Strafe nicht
Im September waren einige Modekonzerne, darunter Versace und Givenchy, zum Kotau genötigt worden. Manager dieser Unternehmen hatten sich selbst öffentlich eines großen Fehlers bezichtigen müssen. Eine solche "Selbstkritik", die öffentlich ausgeübt werden muss, ist eine kommunistische Parteitradition, die besonders in China gern gepflegt wird.
Das Fehlverhalten der Mode-Manager sollte darin bestanden haben, nicht deutlich genug zu betonen, dass Taiwan integraler Teil der Volksrepublik China sei. Im Gegenteil: Die von ihren Unternehmen hergestellten und verkauften Kleidungsstücke hätten den Eindruck erwecken können, Taiwan sei ein eigener Staat.
Mareike Ohlberg vom Berliner Mercator Institute for China Studies sagte der Tageszeitung "Welt", dass sie in China einen "wahnsinnig beunruhigenden Trend" beobachte: Seitdem Xi Jinping an der Macht sei, versuche die Partei "nicht nur, die Meinungen im Inland zu kontrollieren, sondern zunehmend auch im Ausland".
Auch die Basketballer blieben chancenlos
In dieser Woche bekamen wieder einige US-amerikanische Unternehmen die Macht der Partei zu spüren, als die nordamerikanische Basketballliga (NBA) mit den chinesischen Behörden aneinandergeriet. Die NBA ist im globalen Basketballgeschäft sportlich und vor allem wirtschaftlich dominierend und hat auch in China eine große und wachsende Fangemeinde.
Daryl Morey, der General Manager der Basketballmannschaft Houston Rockets, hatte einen Tweet mit dem Slogan "Kämpft für Freiheit, unterstützt Hongkong!" versehen. Weil sich NBA-Chef Adam Silver dieser Meinung anschloss, geriet die gesamte NBA in China unter Druck.
Der Staatssender CCTV weigerte sich, weiterhin Spiele der NBA zu übertragen. In ganz China konnte man von Heute auf Morgen auch keine Fanartikel des texanischen Sportklubs mehr kaufen - sie verschwanden einfach aus den Geschäften.
Inzwischen rudern die Basketballer, besorgt um ihr Geschäft, wieder zurück, während sich auf der anderen Seite der Präsident der USA, Donald J. Trump, zu Wort meldet, um seinerseits Kapital aus dem Vorgang zu schlagen. Jedenfalls ist den Sportklubs in China ein Kotau - noch - erspart geblieben.
Es wird noch schlimmer kommen
2014 beschloss der Staatsrat, ein "Social Scores"-System einzuführen. Mit diesem Sozialkreditsystem wird das Verhalten jeden Bürgers überwacht und bewertet. Auf diese Weise soll Wohlverhalten belohnt und Fehlverhalten bestraft werden. Die Kriterien dazu legt die Kommunistische Partei fest. Das System wird seit zwei Jahren großflächig getestet.
2020 soll, so sehen es jedenfalls die bislang bekannten Planungen vor, das Kreditsystem für alle Einwohner Pekings eingeführt werden. Auch Ausländer und ausländische Unternehmen würden damit erfasst, beobachtet und bewertet werden.