China baut die Titanic nach
19. Mai 20211912 kollidierte die als unsinkbar geltende Titanic mit einem Eisberg und sank im Atlantik. Mehr als 1500 Passagiere starben bei der Jungfernfahrt des Luxusschiffes, das als Paradebeispiel für die moderne Technik galt.
Die Geschichte der Titanic ist zu einer Legende geworden. Nicht zuletzt dank des Hollywood-Blockbusters von 1997 mit Leonardo DiCaprio und Kate Winslet.
Der chinesische Investor Su Shaojun ist womöglich einer der größten Fans des Films und vor allem des Schiffs. Vor einigen Jahren kündigte Su an, eine originalgetreue Kopie des legendären Dampfers finanzieren zu wollen, das die Erinnerung an die Titanic wachhalten solle, wie die AFP berichtete. "Wir bauen ein Museum für die Titanic", sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur.
Ein teures Vergnügen
Das 260 Meter lange Schiff soll die Hauptattraktion im Romandisea Freizeitpark in der chinesischen Provinz Sichuan sein. Ende des Jahres soll sie für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Bis zu 2000 Yuan, umgerechnet etwa 256 Euro, kostet die Nacht auf der Luxuslinerkopie.
Das Schiff wird nicht seetüchtig sein und auf dem Fluss Quijang angedockt. Dennoch verfügt es über voll funktionsfähige Dampfmaschinen, die den Gästen das Gefühl vermitteln sollen, wirklich auf hoher See zu sein. Bis ins kleinste Detail ist die Themenparkkopie dem Original nachempfunden: Von der Kabinenausstattung bis hin zu den Türgriffen.
Zudem werden laut AFP die Tourbusse im Vergnügungspark "My Heart Will Go On" von Celine Dion, den Titelsong des 1997er Blockbusters, in Dauerschleife spielen. James Camerons Blockbuster war in China, wie auch in Europa und den USA, ein Riesenerfolg.
Ein neuer Dokumentarfilm in China hat die Geschichte des Schiffs zudem weiter ins nationale Rampenlicht gerückt. Der Film "The Six" von Regisseur Arthur Jones erzählt von sechs chinesischen Reisenden, die die Jungfernfahrt überlebten. Der Film wurde am am 16. April 2021 veröffentlicht, einen Tag nach dem 109. Jahrestag des Untergangs der Titanic.
Der Titanic-Nachbau in Romandisea ist einer der jüngsten Neuzugänge in Chinas boomender Freizeitparkindustrie. AECOM, ein Anbieter technischer Dienste und Unterstützungsleistungen für Unternehmensführungen, veröffentlichte 2018 "China Theme Park Pipeline Report". Darin ging man davon aus, dass Chinas Themenparks in den nächsten zwei Jahren 230 Millionen Besucher begrüßen und rund zwölf Milliarden US-Dollar, fast zehn Milliarden Euro, an Ticketverkäufen generieren würden, was einem Anstieg von 367 Prozent im Vergleich zu 2010 entspräche.
Während die Pandemie die Industrie allgemein verlangsamte, rechnete man in der Themenpark-Branche mit einem Anstieg, da die chinesischen Bürger weniger Möglichkeiten haben, außerhalb des Landes zu verreisen.
Grund zur Sorge?
In der Vergangenheit sorgte das Titanic-Projekt indes auch für Kritik: Es sei unsensibel, eine Tragödie, bei der Menschen ihr Leben verloren hätten, in eine Attraktion für einen Vergnügungspark zu verwandeln, so einige Mitglieder der britischen Titanic Society, die dem chinesischen Investor 2017 Geschmacklosigkeit vorwarfen.
Darunter ist etwa Jean Legg, dessen Vater Steward auf dem Originalschiff war. "Wenn er wüsste, dass es nachgebaut wird, würde er sich wohl im Grab umdrehen", sagte Legg damals der BBC. "Sie benutzen die Titanic wegen der Tragödie - das ist erschütternd."
Die BBC berichtete, dass der ursprüngliche Plan für die Attraktion einen simulierten Eisbergabsturz beinhaltete - eine Idee von Herrn Su. Dieses Vorhaben wurde allerdings fallen gelassen.
In einer aktuellen Stellungnahme gegenüber der DW sagte Titanic-Society-Mitglied David Scott-Beddard, dass "Herr Su und sein Team unseren Mitgliedern versichert haben, dass diese Bedenken berücksichtigt werden. Es wird interessant sein zu sehen, wie authentisch das Schiff sein wird, wenn es einmal fertig ist. Wie viele andere Titanic-Enthusiasten hoffen wir, dass es dazu beitragen wird, die Geschichte des Schiffes und die Erinnerung an die Menschen, die bei der Katastrophe ums Leben kamen, lebendig zu halten."
Großer Wettbewerb
Der Bau der Kopie begann bereits vor sechs Jahren. Er dauert damit schon doppelt so lang, wie der des Originals. Bereits 2019 sollte die neue Titanic fertig gestellt sein, das Projekt verzögert sich allerdings um zwei Jahre. Allein die Baukosten für das Schiff belaufen sich derweil auf 1 Milliarde Yuan, rund 127 Millionen Euro. Die Kosten des Gesamtprojekts belaufen sich mittlerweile auf 10 Milliarden Yuan, rund 1,2 Milliarden Euro. Der chinesische Investor hofft auf bis zu fünf Millionen Besucher, um die exorbitanten Kosten zu kompensieren. "Ich hoffe, dass dieses Schiff noch in 100 oder 200 Jahren hier sein wird", sagte Su.
Es gibt noch einen weiteren Nachbau der Titanic, der vom australischen Milliardär und umstrittenen Bergbau-Magnaten Clive Palmer finanziert wird. Die Titanic II befindet sich seit 2012 im Bau, aber im Gegensatz zu ihrem Pendant in Romandisea sollte sie ein voll funktionsfähiges Schiff werden, das lange Reisen unternehmen kann. Das für 2016 geplante Datum der Seetauglichkeit wurde nicht eingehalten und auf 2022 verschoben.
Adaption: Annabelle Steffes-Halmer