"China 8" - Kulturbrücke ins Reich der Mitte

Ein Hase duckt sich in das Unterholz vor einer unwirklich farbigen Landschaft. Symbolischen Expressionismus nennen Experten die Handschrift Zeng Fanzhi's. Seine Bilder erzählen vom rasanten Wandel der chinesischen Gesellschaft. Er ist einer von 120 Künstlern, die ihre Werke bei der Schau "China 8" bis zum 13. September ausstellen. Ai Weiwei ist nicht darunter. Fehlen die Regimekritiker?

Menschen betrachten das Bild einer aufgewühlten Landschaft. Die in Peking lebende Künstlerin Huang Min schlägt mit ihren grossformatigen Werken eine Brücke vom Gestern ins Heute. Ihre mit wildem Pinselstrich gemalten Brückenköpfe sind meistens Landschaften – als Spiegelbild gesellschaftlicher Veränderungen. Betrachtern eröffnet sich so ein Blick zurück nach vorn.

Staunen über ein Wimmelbild aus Schmuck und Körperteilen. Bekannt wurde Yue Minjun mit seinen Grinse-Männern, deren Zähne-Fletschen zur irritierenden Maske gefriert. Das machte Yue Minjun zu einem Führer der chinesischen Avantgarde. Heute zählt der Maler und Bildhauer zu den etablierten chinesischen Künstlern. Sammler lassen sich seine Werke Millionen kosten.

Felsnischen bergen die überlebensgroßen, steingrauen Körper vermeintlich Erhängter. Davor posiert ein junges Mädchen und hebt die Hand zum Siegeszeichen. Schon wegen seines Motives löst das Gemälde Zhou Zixi's Irritation aus. Spielt der Künstler auf die vielen Hinrichtungen im Reich der Mitte an? Das Ausstellungsprojekt "China8" spannt ein ganzes Panorama chinesischer Malerei.

Wer den 16 Meter langen Tunnel von Zhou Xiaohu durchschreitet, stößt auf Bilder und Töne von den Krisenherden unseres Globus. Die Inszenierung schockiert. Zugleich erzeugt sie die Illusion, Besucher könnten mit den "Mächtigen“ der Welt direkt in Dialog treten. Zhou Xiaohu fragt, wer die Deutungshoheit von Wirklichkeit hat: Die Politiker? Die Wissenschaftler? Die Journalisten? Die Künstler?

Einem computergenerierten Strickmuster gleicht das Bild von Ding Yi. Der Künstler erzeugt eine gleichsam mystische Athmosphäre. Der Vorgang des Malens ist für ihn - ähnlich der Zen-buddhistischen Meditation - eine Übung zur Erlangung innerer Ruhe. Der lauten und grellen Urbanisierung chinesischer Städte setzt Ding Yi bewusst seine ruhige und nüchterne Bildsprache entgegen.

Ein Schelm, wer an den abgasgetrübten Himmel über Chinas Hauptstadt Peking denkt. Die Fotografie dieser Industrieanlage enstand östlich von Nanjing. Dem Schornstein entweicht eine giftig-gelbliche Schwefelwolke. Liang Weizhou reiht sich ein in ein breites Spektrum zeitgenössischer chinesischer Kunstfotografie, die unterschiedlicher nicht sein könnte.

Ein Auto aus Porzellan? Kunststück! Seltsam vertraut wirken Glasur und Material der "New China Series Car No. 1". Dabei ist sie ein schräger Kommentar Ma Juns auf die vergleichsweise junge Konsumkultur im Reich der Mitte. Denn der Künstler konfrontiert Produkte des Wohlstands mit der mehr als 1000 Jahre alten chinesischen Porzellankultur.

Das Leben ändert sich schnell, in der Arbeitswelt wie im Privaten. Die junge Generation profitiert vom wirtschaftlichen Erfolg Chinas. Zugleich quält sie die Frage, welche politischen, sozialen und moralischen Werte noch gelten. Chinesische Videokünstler versuchen deshalb Momentaufnahmen - wie Yang Zhenzhong. Seine Videoarbeit "Exam" dreht sich um das Funktionieren ohne zu Begreifen.

Einen Sidewalk, der schmunzeln lässt, hat Alfred Ko fotografiert: Das vermeintliche Rennen von Säcken und Passanten. Offen bleibt, wer am Ende die Nase vorn hat. Mit einem Augenzwinkern fängt der Fotokünstler hongkonger Alltagskultur ein. Im Essener Museum Folkwang präsentiert das Ausstellungsprojekt "China 8" ein ganzes Spektrum chinesischer Kunstfotografie.