Portrait Benedikt XVI.
21. September 2011Seit Martin Luther habe kein Deutscher die christliche Kirche so sehr geprägt wie Papst Benedikt XVI., soll ein Theologe im Vatikan gesagt haben. Andere bezeichneten den 1981 nach Rom berufenen Kardinal Joseph Ratzinger als "Chefdenker". Schon damals galt er als höchst einflussreicher, aber auch umstrittener Dogmatiker der katholischen Lehre.
Berufsziel Kardinal
Joseph Ratzinger wurde am 16. April 1927 im oberbayerischen Marktl am Inn als jüngstes von drei Kindern geboren; der Vater war Gendarmeriemeister, die Mutter Köchin. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Traunstein, wo er als Ministrant bei Gottesdiensten mitwirkte. Möglicherweise stammt bereits aus dieser Zeit sein Wunsch, später Kardinal zu werden. Zunächst jedoch kam Joseph Ratzinger 1941 zur Hitler-Jugend und wurde zu Kriegsende als Flakhelfer eingezogen. 1946 begann er in Freising ein Theologie- und Philosophiestudium, wurde 1951 zum Priester geweiht und habilitierte mit nur 30 Jahren im Bereich Dogmatik und Fundamentaltheologie. Ab 1958 lehrte er als Professor in Freising, Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg.
Karrieresprung in Rom
1977 wurde Joseph Ratzinger von Papst Paul VI. zum Erzbischof von München und Freising ernannt und empfing kurz darauf die Kardinalswürde. Nach nur 4 Jahren in München kam mit der Berufung nach Rom durch Papst Johannes Paul II. der große Karrieresprung für den Münchner Erzbischof: Im Vatikan übernahm Ratzinger den Posten des Präfekten der Glaubenskongregation. Nach Beobachtermeinung blieb er in Rom das, was er auch schon vorher war: Professor, Bekenner, Lehrer - kein Mann der Kanzel, sondern des Katheders, der mit intellektueller Schärfe und gleichzeitiger Sorge die Schwächen von Gesellschaft und Kirche aufzeigte. Allerdings hatte Ratzinger sich noch vor seinem Amtsantritt in der 'Heiligen Stadt' bereits vom kritischen Reformenbefürworter zum eher konservativen Hüter der Lehre gewandelt.
Auf dem Stuhl Petri
In Rom stieg der deutsche Kardinal rasch zum engen Vertrauten des Papstes auf. Beide Männer verband nicht nur eine lange Freundschaft, sondern auch eine strikt konservative Glaubenshaltung - ob Verdammung künstlicher Geburtenregelung, Verbot weiblicher Priester oder Befreiungstheologie in Lateinamerika. Als Joseph Ratzinger nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. am 19. April 2005 zu dessen Nachfolger gewählt wurde, stieß diese Wahl vor allem in Deutschland auf Skepsis. Viele deutsche Theologen sahen in Benedikt XVI. ein Symbol für Dogmatismus und Konservativismus. Doch der neue Papst verblüffte seine Kritiker mit der Zusage, an der Verwirklichung des reformorientierten Zweiten Vatikanischen Konzils festhalten zu wollen. Und auf dem Weltjugendtag in Köln wurde er wie ein Popstar gefeiert.
Zwischen Euphorie und Kritik
Auch bei seinen Reisen in andere Länder begeistert der überaus redegewandte Papst, der viele Sprachen beherrscht, die Gläubigen; häufig wird er mit lautstarken "Benedetto"-Rufen gefeiert. Die Deutschen dagegen beobachten ihren Papst weiterhin kritisch - vor allem die evangelische Kirche. Denn die empfindet es als Affront, dass sie von Benedikt als "kirchliche Gemeinschaften" bezeichnet wird. Auch seine Einstellung zur Ökumene trifft bei den Protestanten nicht auf Gegenliebe. Aber auch sonst geriet der Papst in den vergangenen Jahren mehrfach in die Kritik: So stieß die Rehabilitierung des britischen Bischofs und Holocaust-Leugners Richard Williamson 2009 auf empörte Proteste. Auch bei den jüngst aufgedeckten Missbrauchsfällen von katholischen Geistlichen an Kindern und Jugendlichen fielen die Reaktionen aus dem Vatikan vielen Deutschen nicht entschieden genug aus. Jetzt ist Benedikt XVI. jetzt in seinem Heimatland unterwegs, die Mission ist nicht ganz einfach: Die Gläubigen erwarten offene Worte vom Papst zu den Themen Sexualmoral, Zölibat und Ökumene.
Autoren: Klaus Gehrke, Martin Muno, Oliver Samson
Redaktion: Silke Wünsch