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Charmant - frech - frivol

Florian Blaschke22. Juni 2006

Mit "Lady Henderson präsentiert" kommt endlich einmal ein Musicalfilm in die Kinos, der nicht nur seichte Unterhaltung bietet - was auch an den grandiosen Hauptdarstellern Judi Dench und Bob Hoskins liegt.

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Eine der aufregenden Shows des Windmill-TheatersBild: MIRAMAX FILMS

Zugegeben, in "Lady Henderson präsentiert" ist eine ganze Menge nackter Haut zu sehen. Und doch - die Altersempfehlungen beginnen bei sechs Jahren in Deutschland, gehen weiter bei zwölf Jahren in Großbritannien und reichen bis hin zu Erwachsenen in den USA. Dieser Kreis schließt sich im Film selbst: Thema ist die verlogene Gesellschaftsmoral. Er spielt zwar in London zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, ist aber auch heute noch hoch aktuell.

Filmszene Lady Henderson präsentiert
Laura Henderson auf dem FriedhofBild: MIRAMAX FILMS

Lady Henderson (Judi Dench) ist eine 69-jährige, rüstige und nicht gerade manierliche Dame, die gerade erst ihren Mann zu Grabe tragen musste. Der Trost kommt in Form eines beträchtlichen Erbes, mit dem die gelangweilte Witwe zunächst jedoch überhaupt nichts anzufangen weiß. Dann aber kommt ihr ihre Freundin Lady Conway (Thelma Barlow) zu Hilfe. Sie rät ihr, sich doch ein Hobby zu suchen - und das hat Folgen. Denn Lady Henderson, für das Sticken zu ungeschickt, investiert in das leer stehende Windmill-Theater im Londoner Stadteil Soho.

Non-Stop-Variété als Kassenschlager

Schnell gelingt es ihr, Mr. Vivian van Damme als Manager zu verpflichten. Und dessen erste Idee wird gleich zum Kassenschlager: das Non-Stop-Variété "Revuedeville". Diese Idee bleibt aber nicht ohne Nachahmer und so finden sich bald in ganz London erfolgreiche Theater und Shows. Dieser Konkurrenz scheint das Henderson'sche Haus nicht gewachsen zu sein - bis die unkonventionelle Dame auf die Idee kommt, ihre Mädchen nackt auftreten zu lassen. Ein genialer Einfall, wäre da nicht Londons offizieller Zensor, Lord Cromer...

Filmszene Lady Henderson präsentiert
Vivian von Damme weiß, was zu einer guten Show gehörtBild: MIRAMAX FILMS

Diesen an sich humorvollen und spannungsreichen Plot verpflanzt Regisseur Stephen Frears ("High Fidelity") mitten in die Kriegswirren der späten 1930er und beginnenden 1940er Jahre und spart auch die Bombenangriffe auf die britische Hauptstadt nicht aus. Und auch mit seiner äußerst komplex angelegten Hauptfigur wirkt er der Gefahr entgegen, dass der Film in seichte, leicht frivole Unterhaltung mit moralischem Unterton abdriften könnte.

Lady Henderson, der "totale Schocker"

Nur vordergründig ist da die "Dame" Henderson, die auf witzige und für Judy Dench typische Art das Publikum für sich einnehmen kann. Dahinter steckt eine politisch äußerst zweifelhafte Frau, die durch ziemlich rechte Ansichten hervorsticht. Das macht es dem Zuschauer nicht leichter, denn eigentlich würde er Lady Henderson sehr gerne einfach nur mögen. Ein Vabanquespiel, an dem Frears jedoch seine Freude gehabt zu haben scheint: "Lady Henderson ist die schrecklichste rechts-gesinnte Frau, der totale Schocker. Aber ich habe Respekt davor, das nicht zu Verteidigende zu verteidigen."

Filmszene Lady Henderson präsentiert
Maureen (Kelly Reilly), die erste Tänzerin in Lady Hendersons VariétéBild: MIRAMAX FILMS

Eigentlich würde ein solcher Charakter gar kein Gegenstück mehr brauchen, schon in sich vereint Lady Henderson genügend Widersprüche. Und trotzdem traut sich Frears, der rüstigen und streitbaren Frau mit Bob Hoskins' Rolle des Vivan van Damme einen ebenso starken Part gegenüber zu stellen. Die teilweise recht deftigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden würzen den Film über die an sich schon bestens gefüllte Handlung hinaus. "Stephen sagte mir sehr oft: 'Nein, nein, nein! Du spielst ihn viel zu nett!'", berichtet Hoskins über seine schwierige Rolle. "Dabei bin ich noch nie nett gewesen!"

Ein absolutes und echtes Weibsstück

Doch nicht nur Lady Henderson und Vivian van Damme, auch die Nebenrollen sind hervorragend besetzt. Kelly Reilly spielt die Tänzerin Maureen mit einem so hinreißenden Lächeln, dass es für diese Rolle eigentlich gar keine Textpassagen gebraucht hätte. Und Christopher Guest als Lord Cromer schwankt mit herrlich zwischen öffentlicher Moral und seiner persönlichen Unaufrichtigkeit.

Filmszene Lady Henderson präsentiert
Gespräche von Frau zu Frau: Maureen und Laura HendersonBild: MIRAMAX FILMS

"Lady Henderson präsentiert" ist nicht der erste Film über das Windmill-Theater, das es tatsächlich gegeben hat. Bereits 1945 mimte Rita Hayworth ein Windmill-Mädchen in dem Hollywood-Film "Tonight and Every Night". Bis heute jedoch wurde nie die Geschichte der Laura Henderson erzählt, der Frau, die trotz Zensoren und Prüderie erstmals nackte Haut auf einer britischen Bühne zeigte und damit Musical-Geschichte schrieb. Und eine solche Rolle scheint Judi Dench wie auf den Leib geschrieben, findet auch ihr Film-Partner Bob Hoskins: "Lady Henderson ist drei Dinge", meint er. "Sie ist charmant, frech und ein absolutes und echtes Weibsstück. Nur Judi kann sich so etwas wirklich erlauben."