Chaos in Mali
21. Mai 2012Bei heftigen Protesten ist am Montag (21.05.2012) der malische Übergangspräsident Dioncounda Traoré verletzt worden. Wütende Demonstranten stürmten sein Büro und attackierten ihn. Der Übergangsstaatschef konnte mittlerweile wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden. Die Proteste richteten sich gegen ein am Wochenende geschlossenes Abkommen der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas mit der Militärjunta in Mali. Zwar ist der Großteil der Malier erleichtert, dass es in der politischen Krise zu einem Lösungsansatz gekommen ist und dass Militärjunta, Ecowas und die zivile Regierung sich auf eine zwölfmonatige Übergangsphase geeinigt haben. Dennoch kam es nach der Bekanntgabe in der Hauptstadt Bamako zu wütenden Hupkonzerten, Straßen wurden gesperrt, überall bildeten sich Staus.
Die Unzufriedenheit einiger Bevölkerungsteile zeigte sich auch in einer Demonstration von mehreren hundert jungen Maliern am Montagmorgen. Im Gespräch mit dem Korrespondenten der Deutschen Welle beklagten sie ein "Diktat der ECOWAS". "Wir wollen nicht, dass die ECOWAS uns Dioncounda als Präsidenten aufzwingt", schimpfte einer der jungen Männer. "Die ECOWAS soll uns helfen - und nicht weitere Probleme schaffen." Ein anderer Demonstrant kritisierte, die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft verletze mit ihrer Entscheidung die Verfassung.
Putschisten warfen Präsident Touré Unfähigkeit vor
Das westafrikanische Mali steckt seit dem 22. März 2012 in einer politischen Krise: An diesem Tag – knapp fünf Wochen vor den regulären Präsidentschaftswahlen – stürzten Soldaten den damaligen Staatschef Amadou Toumani Touré und beschuldigten ihn der Unfähigkeit. Hintergrund ist eine Rebellion von Tuareg im Norden des Landes, die einen eigenen Staat gründen wollen. Die Soldaten kritisierten Tourés Krisenmanagement und warfen ihm vor, im Kampf gegen die schwer bewaffnete Tuareg-Rebellen Soldatenleben zu opfern.
Zwar hatten die Putschisten Anfang April 2012 unter dem Druck der ECOWAS die Macht an eine zivile Übergangsregierung abgegeben. Doch blieben sie unwillig, sich ganz aus der Politik zurückzuziehen, besetzten Schlüsselposten in der Regierung. Nach 40 Tagen - also am 21.05.2012 - sollte die Übergangsfrist ablaufen. Doch war es bislang nicht möglich, Wahlen zu organisieren. Zahlreiche Gipfel der ECOWAS hatten keine Lösung für die Krise gebracht. Mit der Entscheidung vom vergangenen Wochenende zeichnet sich nun eine ruhigere Phase in Mali ab.
Viele Malier hoffen, dass nun Ruhe einkehrt
Auch wenn die Pro-Junta-Demonstranten wegen ihrer Lautstärke und ihres Protestmarsches vielleicht stärker wahrgenommen werden als die ruhige Mehrheit, so sind doch viele Malier froh über die Einigung von Junta und ECOWAS, den Übergangspräsidenten ein Jahr lang im Amt zu belassen. Einerseits weil so die Gefahr von Wirtschaftssanktionen gegen das Land vorläufig abgewendet ist, andererseits weil sie auf Frieden hoffen und darauf, dass endlich wieder Ruhe einkehrt in den bis März so stabilen Staat. "Auch die Demonstranten werden verstehen, dass es besser ist für die Zukunft dieses Landes, wenn Dioncounda ein Jahr im Amt bleibt", sagte ein Befürworter des Vertrages dem DW-Korrespondenten. Auch die Tatsache, dass der Chef der Militärjunta, Kapitän Amadou Haya Sanogo dem Vertrag zugestimmt hatte, wird positiv bewertet.
Bei der Zustimmung Sanogos zum Vorschlag dürfte allerdings eine Rolle gespielt haben, dass den Ex-Putschisten Amnestie gewährt wird – und dass Sanogo selbst der Status eines Ex-Staatschefs mit all seinen Vorteilen, nicht nur finanziellen, zuerkannt wird.
"Höchste Zeit, den Konflikt im Norden zu lösen"
Für Experten, wie den Mali-Kenner Babacar Guèye von der Universität Cheikh Anta Diop in Dakar, war es höchste Zeit für eine Lösung: Denn dadurch werde endlich der Weg frei, die Krise im Norden des Landes anzugehen. "Je länger die politische Krise und damit auch die Besetzung im Norden dauern, desto schwieriger wird es, wieder zu den ursprünglichen Landverhältnissen zurückzufinden", sagte Guéye der DW. Denn das Machtvakuum nach dem Putsch in Bamako hatte es den Tuareg-Rebellen und radikalislamischen Aufständischen erlaubt, noch größere Teile der Region unter ihre Kontrolle zu bringen. Nach der Vereinbarung mit der Militärjunta will die ECOWAS nun aber rund 3500 Friedenssoldaten in den Nordosten Malis schicken.