Gastgeber Lissabon will dem Coronavirus trotzen
10. August 2020Wenn man mit dem Auto über die riesige "Ponte 25 de Abril" (Brücke des 25. April) ins Stadtzentrum von Lissabon fährt, erscheint die Landschaft nicht unähnlich der um die "Golden Gate Bridge" in San Francisco. Ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten wartet auf die Besucher auch hier - allerdings dürfte das nicht für die in Lissabon stattfindende Endrunde der Champions League zutreffen.
Gerade weil der Tourismus durch die Corona-Pandemie in diesem Jahr stark geschwächt wurde, will Portugal als Gastgeber des Final-Turniers seine wirtschaftlichen Chancen nutzen. Das kleine, am Atlantik gelegene Land will Europa und dem Rest der Welt zeigen: Wir sind bereit. Hier ist es sicher.
Dass mit Manchester City ein englisches Team zu den Endrunden-Teilnehmern der Champions League gehört, ist vor diesem Hintergrund sicherlich von Nutzen. Im Jahr 2019 reisten rund 2,5 Millionen britische Staatsbürger nach Portugal. Britische Urlauber sind daher für Portugal mit einer nur viermal so hohen Bevölkerungszahl immens wichtig.
Aber: Das Vereinigte Königreich rät weiterhin davon ab, Portugal zu besuchen und verordnete eine 14-tägige Quarantäne für diejenigen, die sich nicht daran halten. Deshalb will Portugal mit dieser Endrunde beweisen, dass es ein sicheres Land ist. Für die vier anderen Nationen Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien, die ebenfalls noch Vertreter in der Königsklasse haben, gibt es dagegen keinerlei vergleichbare Reise-Beschränkungen.
Das Geschäft läuft schleppend
Der Lissaboner Taxifahrer Ricardo Santos sagt, dass er kaum noch Fahrgäste habe. "Ich mache Fahrten für Einheimische, die jetzt nicht hier sind." Das große Problem für ihn und seine Kollegen sei der Einbruch im Tourismus. "Wir brauchen die Touristen." Das Einschnitte seien größer als bei der Finanzkrise 2008. "Denn damals wollten die Menschen aus anderen Ländern immer noch hierher in den Urlaub kommen", sagt er.
Auch abseits der Hauptstadt, 260 Kilometer südlich an der Algarve, sind harte Zeiten angebrochen. Zum Beispiel im "La Cabane", ein familiengeführtes, malerisches französisch-portugiesisches Restaurant. "Seit vielen Jahren verlässt sich die Algarve zum größten Teil auf den britischen Tourismus, und das gilt auch für uns", erklärt die Eigentümerin Beatrice Mousca. Durch die Beschränkungen Großbritanniens sei auch das Vertrauen von Touristen aus anderen Ländern gesunken. "Ich habe Nachrichten von Niederländern, Spaniern und Schweden erhalten. Ich habe das Gefühl, dass sie besorgt sind."
Ihr Ehemann Carlos, mit dem sie das Restaurant führt, sei zwar grundsätzlich optimistisch, dass die Champions League helfen werde: "Aber ich bin mir nicht so sicher." Obwohl das 1979 in der Stadt Quarteira eröffnete Lokal sehr beliebt ist, sieht Beatrice große Herausforderungen auf sie und die vielen anderen Gastronomen und Unternehmer Portugals zukommen. "Ich mache mir natürlich Sorgen um die Zukunft von 'La Cabane' und die gesamte Algarve. Aber die Frage nach der Gesundheit bereitet mir eine noch größere Sorge."
Positive Tests bei Atlético
Die beiden Champions-League-Spielorte in Lissabon - das Estádio da Luz und das José-Alvalade-Stadion - werden für Fans gesperrt sein, wie es seit März in nahezu allen Stadien weltweit üblich ist. Spieler, Trainer und Offizielle aller acht Mannschaften müssen einen Covid-19-Test machen, bevor sie in die portugiesische Hauptstadt reisen.
Das Sicherheitskonzept hat nun Atlético Madrid ausgebremst: Zwei Spieler des Vereins, Außenverteidiger Sime Vrsaljko und Angreifer Ángel Correa sind am vergangenen Samstag in der spanischen Hauptstadt positiv auf das Coronavirus getestet worden und reisen nicht mit nach Lissabon. In einer Erklärung räumte der Verein ein, dass die Nachricht "Änderungen im Trainingsplan, in der Reiseplanung und der Unterbringung in der portugiesischen Hauptstadt zur Folge hat". Die Abreise wurde auf Dienstag verschoben, der gesamte Atletico-Tross wurde noch einmal getestet. Alle anderen Spieler haben negative Tests.
Die UEFA testet die Vereine bei ihrer Ankunft in Lissabon erneut und hat ohnehin allen Vereinen empfohlen, jeweils ein ganzes Hotel anzumieten. Dadurch soll das Risiko minimiert werden, über die Spielteilnahme hinaus mit anderen in Kontakt zu kommen.
Gesund bleiben - damit das Finale gespielt werden kann
Wenn nun am Mittwoch der Serienmeister der französischen Ligue 1, Paris Saint-Germain, zum Auftakt des Turniers gegen Atalanta Bergamo im Estádio da Luz antritt, wird die Heimstätte von Benfica Lissabon von außen fast normal aussehen - bis auf die polierten Beschilderungen der UEFA und ihrer Partner. Im Inneren erscheint die Arena dann so, wie zuletzt überall bei Geisterspielen: ein riesiges aber leeres Stadion mit 65.000 Plätzen - still und seelenlos.
Die Besten Europas - darunter der FC Bayern München, der am Freitag (21 Uhr MESZ) Barcelona auf dem Weg ins Halbfinale bezwingen muss - haben dann das Ziel, sportlich erfolgreich und auch gesund zu bleiben. So hat es auch Gastronomin Beatrice gefordert. So soll es Millionen Champions-League-Fans weltweit ermöglicht werden, das Finale zu erleben und zu genießen.