Chamenei: "Unschuldige Opfer sind Märtyrer"
5. Dezember 2019Ayatollah Ali Chamenei kündigte auf seiner Website an, die Angehörigen der bei den Protesten unschuldig Getöteten sollten entschädigt werden. Jene Opfer, die sich nicht aktiv beteiligt hätten, sollten als "Märtyrer" anerkannt werden. "Unschuldige Opfer der Proteste sind Märtyrer", erklärte Chamenei.
In der Islamischen Republik verschafft die Anerkennung als "Märtyrer" den Angehörigen Anspruch auf finanzielle Hilfen sowie auf einen Studienplatz oder eine Arbeitsstelle im Staatsdienst. Gewöhnlich ist im Iran der Status des "Märtyrers" Soldaten vorbehalten, die im Kampf gefallen sind.
Nationaler Sicherheitsrat legt Bericht vor
Wie Chamenei weiter mitteilte, legte ihm der Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrats einen Bericht zu den Gründen der Proteste, der Identität der Getöteten und den Umständen ihres Todes vor. Bisher hatte die Führung in Teheran nur den Tod von vier Angehörigen der Sicherheitskräfte bestätigt.
Laut den Angaben auf Chameneis Website unterscheidet der Bericht des Nationalen Sicherheitsrats bei den Getöteten drei Gruppen: erstens Bürger, die bei den Protesten "keine Rolle gespielt" hatten, zweitens Demonstranten, die aktiv daran teilgenommen hatten, und drittens "bewaffnete Unruhestifter".
Im Fall der Bewaffneten, die bei Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften getötet wurden, solle vermieden werden, ihren Familien eine Mitschuld für ihre Verbrechen zu geben, heißt es auf der Website Chameneis weiter. Diese Anweisungen unterscheiden sich deutlich von der bisherigen harten Haltung der iranischen Führung, die die Proteste als "Unruhen" und die Demonstranten als "Söldner" von Feinden des Landes bezeichnet hatte.
Laut USA möglicherweise mehr als 1000 Tote
Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, wonach es mindestens 208 Tote bei den Unruhen gab, hatte die Regierung in Teheran mehrfach als "Lügen" zurückgewiesen. Nach neuen Angaben der US-Regierung sollen iranische Sicherheitskräfte bei den jüngsten Protesten der Opposition möglicherweise sogar mehr als 1000 Menschen getötet haben. "Wir wissen sicher, dass es viele, viele Hundert waren", erklärte der Sondergesandte des Außenministeriums für den Iran, Brian Hook, ohne Quellen zu nennen.
Die jüngsten Proteste seien die "schlimmste politische Krise für das Regime seit 40 Jahren", sagte Hook. Die regierenden Ajatollahs hätten die Unterstützung großer Bevölkerungsteile längst verloren.
Die Proteste hatten sich am 15. November an der Erhöhung der Benzinpreise und der Rationierung von Kraftstoff entzündet und sich binnen kürzester Zeit fast auf das ganze Land ausgeweitet. Da die Regierung das Internet weitgehend abgeschaltet hatte, dringen nur langsam Informationen an die Öffentlichkeit. Es mehren sich jedoch die Hinweise, dass die landesweiten Proteste brutal niedergeschlagen wurden.
qu/rb (afp, rtr, dpa)