1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

CERN-Physiker wollen riesigen Beschleunigerring

16. Januar 2019

Der neue Teilchenbeschleuniger am CERN soll Future Circular Collider heißen und 100 Kilometer lang werden. Die Physiker wollen noch energiereichere Kollisionen als mit dem derzeitigen Large Hadron Collider erreichen.

https://p.dw.com/p/3BdXq
Illustration des neuen geplanten 100-Kilometer-Teilchenbeschleuniger
Bild: picture-alliance/dpa/CERN

Der Large Hadron Collider (LHC) am Europäischen Kernforschungszentrum CERN ist weltbekannt. Es ist der in Bezug auf Energie und Anzahl der Teilchenkollisionen stärkste Protonen-Beschleunigerring der Welt und verfügt über vier riesige Detektoren. Dort haben die Teilchenphysiker 2012 das lang gesuchte Higgs-Boson entdeckt. Sie erinnern sich bestimmt?

Nun möchten die Teilchenphysiker noch einen Schritt weiter gehen. Die Gesetze der Physik geben dafür den Rahmen vor: Ein noch viel größerer Beschleunigerring, in dem zunächst Elektronen und Positronen aufeinanderprallen sollen, ist das Ziel. Später könnte er umgebaut werden und – wie der LHC – auch Protonen beschleunigen. 

Mehr dazu: Neutrino-Experiment 'Katrin': riesige Waage für winzigste Teilchen

Einmal um ganz Genf und einen gutes Stück Frankreich herum

Mit einer Länge von 100 Kilometern wäre der Future Circular Collider (FCC) mehr als dreimal so lang wie der 27 Kilometer lange LHC. In den Kreis des neuen Beschleunigerrings würde praktisch das gesamte Stadtgebiet Genfs passen und obendrauf noch ein Teil Frankreichs.

Das Konzept für den FCC haben die CERN-Physiker am 15. Januar veröffentlicht. Er wird in die "Europäische Strategie für Teilchenphysik" einfließen. Darin soll festgelegt werden, wohin die Reise geht, wenn der LHC voraussichtlich 2035 stillgelegt wird.

Alles dreht sich um die Leuchtkraft

Bereits in den letzten Jahren haben Physiker, Ingenieure und Techniker den LHC immer weiter verbessert, um höhere Energien bei den Teilchenkollisionen zu erzielen. Das gelang vor allem durch eine Technik, mit der die Teilchenpakete noch präziser geführt werden und stärker fokussiert aufeinander prallen. Physiker nennen das Erhöhung der Leuchtkraft oder Luminosität.

Damit die Detektoren – praktisch sind das riesige Digitalkameras – die Energien auch verkraften konnten, mussten auch sie stetig verbessert, Sensoren und Elektromagneten ausgetauscht und aufgerüstet werden.

Beschleuniger als Versöhnungsprojekt: Hightech und Kaffeeklatsch – wie SESAME Türen öffnen soll

Wenn Protonen im ATLAS-Detektor des CERN zusammenprallen

Entscheidung über die Zukunft

Als zweite Option für einen LHC-Nachfolger ist ein kompakter linearer Teilchenbeschleuniger (CLIC) im Gespräch. Doch was am Ende gebaut wird, müssen letztendlich die 22 Mitgliedsstaaten des CERN entscheiden.

Der kreisrunde FCC, jedenfalls – sollte er denn beschlossen und gebaut werden sollte – würde eine Energie von bis zu 100 Terra-Elektronen-Volt (TeV) erreichen, was zugegeben nur schwer für uns Laien vorstellbar ist. Zum Vergleich: Der LHC hat bisher eine Energie von 13 TeV erreicht und soll nach der jüngsten Modernisierung noch maximal 14 TeV erreichen.

Die Protonen im Beschleunigerring erreichen bereits jetzt fast die Lichtgeschwindigkeit. Das bedeutet, dass die höhere Energie im FCC kaum noch zu einer Geschwindigkeitssteigerung führen kann. Aber die Anzahl der Kollisionen würde sich noch deutlich erhöhen. Somit steigt die Wahrscheinlichkeit, seltene Teilchen des Zerfalls aufzuspüren. Diese waren bisher für die Detektoren kaum sichtbar. Vor allem wäre es möglich, Zerfallsprozesse noch präziser zu erfassen und so mögliche Abweichungen vom Standardmodell der Physik zu erkennen.

Erst mal Elektronen und Positronen – Protonen kommen später

Die Kosten für den riesigen Ring schätzen die CERN-Physiker auf neun Milliarden Euro. Fünf Milliarden davon würden die Baukosten für den eigentlichen Tunnel verschlingen. Der neue Beschleunigerring könnte frühestens 2040 zunächst mit Elektronen und Positronen in Betrieb gehen und soll für 15 bis 20 Jahre der Forschung dienen. 

Und auch für die Zukunft nach Ende dieses Beschleunigers haben die Physiker schon eine Idee: Ein supraleitender Protonen-Beschleuniger – ähnlich dem jetzigen LHC – könnte später in denselben Tunnel eingebaut werden. Der würde dann noch mal 15 Milliarden Euro kosten und frühestens Ende der 2050er Jahre in Betrieb gehen.