CDU-Parteitag: Merkel gegen den Populismus
Aus dem ganz großen Umfragetief in Folge der Flüchtlingskrise vor wenigen Monaten, als die CDU bundesweit nur noch knapp über 30 Prozent erreichte, ist die CDU raus - immerhin. Doch die andere Seite der Medaille, der Aufstieg der AfD, konnte nicht rückgängig gemacht werden. Im Gegenteil: Maßen die Demoskopen vor einem Jahr zweistellige Werte für die AfD in den östlichen Bundesländern, so sieht die Lage aus Sicht der CDU jetzt noch weitaus dramatischer aus. In Sachsen liegt die AfD derzeit bei 25 Prozent. Im zweistelligen Bereich liegen nun die Werte für das gesamte Land.
Alles andere als stimmungsaufhellend verliefen auch die fünf Wahlen auf Landesebene in diesem Jahr. Entsprechend mau ist die Stimmung bei einigen der 1000 Delegierten des vom 5. bis 7. Dezember in Essen stattfindenden diesjährigen CDU-Parteitags.
Ärger mit der schwierigen Schwester aus Bayern
Unverdaute Folgen der Flüchtlingskrise zeigen sich auch im gegenwärtig angespannten Verhältnis zur bayerischen Schwesterpartei, der CSU. Eigentlich hätte der Vorsitzende der CSU, Horst Seehofer, wie üblich eine Rede auf dem CDU-Parteitag halten sollen. Doch Merkel und er streiten seit mehr als einem Jahr über die "richtigen" Maßnahmen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik - vor allem über eine "Obergrenze". Um diesen Streit nicht, wie bereits geschehen, auf offener Bühne austragen zu müssen, haben beide Parteivorsitzenden vor Wochen bekannt gegeben, auf gegenseitige Parteitagsbesuche zu verzichten.
Doch einen dauerhaften Konflikt kann sich die CDU nicht leisten. Traditionell und gerade jetzt sind die Christsozialen ein strategisch wichtiger Partner für die CDU als Sicherheitspuffer nach rechts. In vielen Fragen konservativer als die CDU, kann die CSU Wähler an die gemeinsame Union binden, die in anderen Ländern gerade auf rechtspopulistische Parteien ausweichen. Das gilt zwar nicht immer und für alle, siehe AfD. Aber ohne CSU wären die Rechtspopulisten wohl noch stärker als ohnehin schon. Entspannung ist also gefragt. Wohl deshalb werden zwei hohe CSU-Funktionäre zu Gast sein: CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer und die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, die seit jeher versucht, keine zu großen Gräben zwischen beiden Parteien entstehen zu lassen. Ihre Äußerung aus der vergangenen Woche in Berlin, wonach beide Parteien in der Asyl- und Flüchtlingspolitik "in Fragen der Intensität und nicht diametral" auseinander lägen, ist dafür typisch.
Einstimmung auf den Bundestagswahlkampf
Doch Frieden in den eigenen Reihen und ein gutes Verhältnis zur CSU sind nicht alles. Die CDU muss auch die Wähler erreichen und will wieder stärkste Kraft bei der Bundestagswahl im September werden. Doch wie, wo rundherum die Populisten immer mehr Macht gewinnen? Viele erwarten erste Antworten darauf von Merkel in ihrer zentralen Rede.
Erste Andeutungen hat sie schon gemacht. Bei einer Regionalkonferenz im Vorfeld des Parteitags forderte ein CDU-Mitglied offen ihren Rücktritt. Sie antwortete verständnisvoll, diese Haltung gehöre zur Demokratie dazu. Zuhören statt Verurteilen scheint eine neue Taktik zu sein, die von den Populisten beklagte angebliche Kluft zwischen Establishment und Volk überbrücken zu wollen.
Schwenk nach rechts
Neben einer anderen Tonlage deutet sich inhaltlich ein Schwenk nach rechts an, der auf dem Parteitag vollzogen werden könnte. Dafür gibt es einige Indizien.
Kurz vor dem Parteitag ging CDU-Vize Thomas Strobl mit einem harten Asyl-Papier in die Öffentlichkeit. Darin spricht er sich für verschärfte Abschiebe- und Asylregeln aus. Die AfD reagierte übrigens bereits und schrieb, das sei "blanker Opportunismus und nur scheinbares Umdenken".
Auch der ehrgeizige Leitantrag der Parteiführung mit dem Titel "Orientierung in schwierigen Zeiten" geht in diese Richtung. Der Schwerpunkt liegt auf den Themen Flüchtlinge, Migration und Integration. Eine Flüchtlingssituation wie 2015 dürfe sich nicht wiederholen, sagte Merkel vergangene Woche noch einmal deutlich in einer Videokonferenz mit der CDU-Basis - darauf ziele der Leitantrag, so Merkel. In dem 20-seitigen Papier formuliert die CDU gesellschaftspolitische Leitplanken, die noch vor Monaten nicht Konsens in der Parteiführung waren: Leitkultur als Voraussetzung für Zusammenhalt in einer pluralen Gesellschaft, Heimat als Antwort auf Globalisierung, staatliches Recht vor religiösen Regeln, keine Migration durch die Hintertür über den Missbrauch des Asylrechts, Integration und Parallelgesellschaften schließen sich aus.
Raus aus der Kuschelzone
150 weitere Anträge liegen vor, wesentlich mehr als im Jahr zuvor. Einige stammen von der ausgesprochen konservativ auftretenden Nachwuchsorganisation, der "Jungen Union". Zur Diskussion vorgeschlagen werden darin Themen wie ein Verbot der Vollverschleierung, neue Abschiebungsgesetze oder das Verbot von fremdsprachigen öffentlichen Versammlungen.
Interessant waren auch die Worte des CDU-Generalsekretärs, Peter Tauber, kurz vor dem Parteitag in Berlin. Der Wahlkampf werde wohl ein wirklicher "Kampf" werden. Denn die politischen Lager würden sich wieder deutlicher abzeichnen als zuletzt in Zeiten der Großen Koalition. Damit würden aber auch die Angriffe wieder zunehmen. Mehr Mut und ein breiteres Kreuz seien richtige Antworten darauf. Die CDU will anscheinend raus aus der Kuschelzone in der politischen Mitte.
Die Delegierten werden sich ganz auf diese inhaltlichen Fragen konzentrieren können. Denn in Personalfragen sind in Essen kaum Überraschungen zu erwarten. Neben Merkel stehen fünf stellvertretende Parteivorsitzende zur Wiederwahl - fünf Kandidaten, fünf Plätze. Bei den übrigen sieben Mitgliedern des Parteipräsidiums gibt es immerhin etwas Bewegung. Neu hinzukommen wird Monika Grütters, Kulturstaatsministerin im Bund und CDU-Vorsitzende in Berlin. Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich kandidiert nicht mehr, stattdessen will Thomas de Maiziere seinen Platz einnehmen. Bis auf Jens Spahn, der eine gewisse Distanz zu Merkels Flüchtlingspolitik pflegt, ist das Personaltableau ganz auf Merkel-Linie.