Cannabis-Legalisierung "ist ein Kraftakt"
12. August 2022DW: Herr Blienert, mit der Legalisierung von Cannabis bohrt die Bundesregierung ein sehr dickes Brett - und ein komplexes dazu. Wie viele Ministerien sind denn in den Prozess eingebunden?
Burkhard Blienert: Es sind fast alle Ministerien aus der Bundesregierung eingebunden, weil es viele Bereiche gibt, die geregelt werden müssen. Das geht über Landwirtschaft und Jugendschutz und hört bei Steuerfragen noch lange nicht auf. Federführend zuständig ist das Gesundheitsministerium.
Sie hatten Ende Juni 200 Fachleute eingeladen, die sich an fünf Tagen austauschen konnten. Wie sieht nun der konkrete Fahrplan für die Legalisierung aus?
Es war mir sehr wichtig, dass wir noch vor der Sommerpause einen wirklich breiten Konsultationsprozess durchgeführt haben. Damit haben wir eine gute Sachstandsgrundlage geschaffen. Zugleich war das wie ein Startsignal: Jetzt geht es tatsächlich in die konkrete Ausgestaltung. Die Verabredung ist, dass die Bundesregierung im Herbst Eckpunkte verabschiedet und auf der Grundlage dann ein Gesetzentwurf erstellt wird. Der wird dann das Parlament erreichen und danach die parlamentarischen Beratungen. Ich gehe davon aus, dass die im nächsten Jahr aufgenommen werden. Wann das Gesetz verabschiedet wird und wann es in Kraft tritt, das liegt in den Händen des Parlamentes.
Was sind für Sie die die schwierigsten Baustellen im Legalisierungsprozess?
Die Komplexität des Gesetzes. Es ist eben kein Gesetz aus einem Haus, sondern es müssen viele Punkte aufeinander abgestimmt werden. Ziel ist ein schlüssiges Konzept, das die Abgabe an Erwachsene in lizenzierten Fachgeschäften ermöglicht und damit den Gesundheitsschutz und den Jugendschutz gewährleistet, wie es der Koalitionsvertrag verspricht. Außerdem haben wir die völkerrechtlichen und europarechtlichen Fragestellungen zu klären, die mit dem Ganzen verbunden sind. Bisher hat man die völkerrechtlichen Abkommen ja so gelesen, dass Cannabis streng zu verfolgen ist. Eine der betreffenden UN-Konventionen ist aber aus den 1960er Jahren. Das waren andere Zeiten damals. Aber wenn man jetzt in eine neue Zeit hineingehen möchte, eine moderne Drogen- und Suchtpolitik, die auch der modernen Gesundheitspolitik Genüge tut, dann ist es notwendig, Debatten und Diskussionen zu führen - auch darüber, wie diese Abkommen im Jahr 2022 zu verstehen sind. Und wie wir mit ihnen umgehen. Das will ich gerne tun, damit wir die Zeit der Prohibition bei Cannabis tatsächlich überwinden können und in Deutschland einem konstruktiven und fortschrittlichen Ansatz in der Drogen- und Suchtpolitik Raum geben können.
Einige Staaten sind den Weg einer Legalisierung von Cannabis ja schon gegangen, wie Uruguay oder Kanada oder einige Bundesstaaten in den USA - jeweils in ihrer eigenen spezifischen Form. Das werden wir uns in diesem Prozess anschauen. Wir haben zudem die Legalisierungsdebatte auch in Europa, in Malta, Luxemburg oder den Niederlanden, die wie wir neben Völkerrecht auch europäisches Recht zu beachten haben. Wir stehen da im Austausch.
Bevor es dazu kommt, muss nicht nur der Bundestag zustimmen, sondern möglicherweise auch der Bundesrat. Da brauchen Sie nach Lage der Dinge auch Stimmen von Ländern, in denen die Christdemokraten mitregieren, die im Bundestag die größte Oppositionspartei stellen. Die standen der Legalisierung bislang überwiegend skeptisch gegenüber. Wie wollen Sie die überzeugen?
Ich sehe, dass wir einen Schwarzmarkt haben. Da werden in Deutschland pro Jahr durch Cannabis geschätzt sechs bis acht Milliarden Euro umgesetzt. Genau wissen wir es nicht. Wir wissen aber von den gesundheitlichen Folgen durch die Produkte, die auf dem Schwarzmarkt erhältlich sind, durch hohe THC-Werte, durch Verunreinigungen oder Beimischungen von synthetischen Cannabinoiden. Das hilft den Menschen bei ihrem Umgang mit dem Stoff Cannabis nicht.
Insofern glaube ich, dass wir gute Argumente auch gegenüber den Ländern haben. Man sieht, dass es unter den jetzt in Deutschland noch geltenden Bedingungen zu wenig Gesundheitsschutz gibt, dass der Schwarzmarkt überhaupt nicht zurückgedrängt wird.
Mein Ansatz ist, dass durch eine Regulierung mehr erreicht werden kann, eine Zurückdrängung des Schwarzmarktes erreicht werden kann. Dass wir den Menschen bei ihrem Konsum helfen können, mehr Gesundheitsschutz umzusetzen. Dem können sich die Länder nicht verschließen - die erleben in ihren Kommunen die Probleme schließlich hautnah.
Die Überzeugungsarbeit Richtung Opposition will ich gerne leisten und mit ihr in die Diskussion eintreten. Und ich finde, eine Opposition zeichnet sich dann aus, wenn sie konstruktive Vorschläge mit einbringt, wie wir in der deutschen Drogen- und Suchtpolitik besser werden können.
Noch gilt aber das alte Betäubungsmittelgesetz. Alle drei Minuten wird ein Cannabiskonsument - nicht etwa ein Dealer - mit Polizei und Justiz konfrontiert. Deswegen schlagen eben Aktivisten vor, den Besitz von geringen Mengen sofort zu entkriminalisieren und straffrei zu stellen - inklusive des Anbaus von bis zu drei Pflanzen. Wie stehen Sie dazu?
Mir reicht eine reine Entkriminalisierung nicht aus. Ich möchte den regulierten Markt. So hat es der Koalitionsvertrag auch beschrieben. Das ist ein Kraftakt, und an dem sind wir dran. Da gehört die Entkriminalisierung mit hinein. Ich halte es für besser, jetzt nicht einzelne Elemente herauszubrechen, sondern alles gemeinsam zu denken. Wir wollen ein Ergebnis aus einem Guss.
Das Gespräch führte Matthias von Hein.