Camerons Werben für Luftschläge
26. November 2015David Cameron hat die Parlamentarier aufgefordert, Luftschläge des Vereinigten Köngigreichs gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zu unterstützen. In einer Rede im Unterhaus fast zwei Wochen nach den Anschlägen von Paris mit 130 Toten sagte der britische Permierminister, die Terrororganisation nutze Syrien als Rückzugsort, um Angriffe auf Großbritannien zu starten. Alle sieben vereitelten Anschlagspläne in Großbritannien in diesem Jahr seien entweder vom IS geplant, oder von seiner Propaganda inspiriert worden.
Vor seiner Rede veröffentlichte Cameron eine Stellungnahme an den Sonderausschuss für Außenpolitik. Darin heißt es: "Je länger der IS in Syrien wachsen kann, desto größer wird die Bedrohung durch ihn. Es ist falsch, die Sicherheit des Vereinigten Königreiches durch andere Länder sicherstellen zu lassen und zu erwarten, dass die Luftstreitkräfte anderer Nationen die Lasten und Risiken der Angriffe auf den IS tragen, um den Terrorismus hier in Großbritannien zu stoppen."
Die Angelegenheit ist eine große politische Herausforderung für Cameron. Der Premier führt die hauchdünne konservative Mehrheit im Unterhaus. Er wird eine wesentliche Anzahl von Parlamentariern der anderen Parteien überzeugen müssen, als Ausgleich für Abweichler in den eigenen Reihen. Man geht davon aus, das 15 Abgeordnete von Camerons Tories gegen Luftschläge stimmen werden.
Sein politischer Gegner, Labour-Chef Jeremy Corbyn, ist schon sein ganzes Leben lang Pazifist und dementsprechend gegen eine Intervention. Jedoch steht Corbyn unter dem Druck, seinen Abgeordneten freie Wahl zu lassen. Sollte er Labour eine Anti-Interventions-Linie aufzwingen, muss er mit dem Rücktritt hochkarätiger Parteigrößen rechnen.
Große Unterstützung
Unter den Parlamentariern gibt es große Unterstützung für die Bombardierung Syriens. Die meisten politischen Kommentatoren erwarten, dass Cameron die Mehrheit schaffen kann. Crispin Blunt, Vorsitzender des Sonderausschusses für Außenpolitik warnte Anfang der Woche unentschiedene Abgeordnete, es könne keine "eindeutigere Notwendigkeit" für einen Militäreinsatz geben. Es wird davon ausgegangen, dass etwa 70 Labour-Abgeordnete für Luftschläge stimmen werden.
Tom Tugendhat, Abgeordneter der Tories und ehemaliger Armeeoffizier, fasst die Ansicht vieler zusammen: "Das ist keine Gruppe, mit der man verhandeln oder Frieden schließen kann. Das ist ein dschihadistischer Kult, der seine angebliche Legitimation vom Göttlichen, nicht vom Menschlichen bezieht. Für sie ist jeder Erfolg Ansporn für noch schlimmere Verbrechen." Deshalb müsse Großbritannien seinen Verbündeten im Kampf gegen den IS zur Seite stehen, sagt Tugendhat. "Wir haben die Pflicht anzuerkennen, dass ein Angriff auf unseren engsten Verbündeten nicht nur ein Angriff auf uns ist, sondern auch, dass unsere Antwort gebraucht wird." Den Erfolg des IS zu brechen, ihm zu zeigen dass er besiegt werden könne, sei Teil der Botschaft an diejenigen, die der Organisation folgten.
Experten hingegen raten zur Vorsicht. "Zwar haben die Anschläge von Paris gezeigt, dass gegen den IS vorgegangen werden muss, wie der Premierminister auch anerkannt hat", sagt Simon Mabon, Politologe von der Lancester University. "Aber Luftschläge alleine reichen nicht, um die Gruppe zu besiegen." Es sei ein umfassender Plan für Syrien und den Irak nötig, der über eine Pattsituation hinausgehe und der diplomatische Lösungen miteinbeziehe, und langjährige Rivalen – einschließlich der USA, Russland, Saudi-Arabien und den Iran – mit einschließe.
Cameron ist besonders vorsichtig. Vor zwei Jahren erlitt er eine peinliche Niederlage im Parlament, als er keine Mehrheit für Luftangriffe auf die Truppen von Syriens Machthaber Baschar al-Assad zusammenbekam. Der Premier hat bereits angekündigt, es werde nur eine Abstimmung geben, wenn es ausreichende parlamentarische Unterstützung gebe. Eine erneute Niederlage sei ein Propaganda-Sieg des IS.
Skepsis bleibt
Camerons Position wird jedoch auch skeptisch gesehen. "Er lag völlig falsch in Bezug auf Libyen, auf Syrien, er lag falsch in Bezug auf den Irak und Afghanistan", sagt Freddy Gray, stellvertretender Chefredakteur des Magazins Spectator. "Warum sollten wir nun an sein außenpolitisches Urteilsvermögen glauben?"
Cameron behauptet, Luftschläge seien im "nationalen Interesse" Großbritanniens. Labour-Chef Corbyn und andere Gegener einer Intervention fragen jedoch, ob sie nicht die Bedrohung für Großbritannien vegrößern. Außerdem geht es um die Fragen einer Nachkriegsordnung und Kollateralschäden. "Es scheint so, dass die Regierung nicht aus den Fehlern im Irak gelernt hat, es gibt keinen Plan, was nach den Luftangriffen geschehen soll", sagt Politologe Mabon. "Darüber hinaus hat Rakka etwa 500.000 Einwohner. Zivile Opfer werden unvermeidlich sein, was zu noch mehr Unruhe, Zersplitterung, Vertreibung und Flucht führen wird. Und letztlich schafft das den Nährboden für die Saat des IS."