Büttner: "Der Schutz der Menschen steht nicht im Vordergrund"
5. Juni 2014Deutsche Welle: Die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström nennt die EU-Flüchtlingspolitik mit Blick auf die Zahl aufgenommener Flüchtlinge eine Schande: Wer ist für diese Bilanz verantwortlich?
Wolfgang Büttner (Human Rights Watch - HRW): In der EU-Flüchtlingspolitik herrscht der Gedanke vor, Flüchtlinge aus der EU fern zu halten, und das geht auf Kosten der Menschen. Der Schutz der Menschen steht einfach nicht im Vordergrund, obwohl der Flüchtlingsschutz Teil der Europäischen Menschenrechtscharta ist. Bei den Mitgliedsstaaten muss ein Mentalitätswechsel stattfinden, mit der Bereitschaft mehr Menschen aufnehmen und schützen zu wollen.
Die EU-Innenkommissarin bringt die Ausgabe so genannter "humanitärer Visa" ins Gespräch, die schon in den Heimatländern der Flüchtlinge ausgegeben werden. So könnten Flüchtlinge legal und sicher nach Europa einreisen. Ist das eine Möglichkeit, die Menschen besser zu schützen?
Die Idee der humanitären Visa ist ein guter Vorschlag, weil dadurch verhindert wird, dass Menschen auf Booten über das Mittelmeer fliehen, von Schleuserbanden über lebensgefährliche Routen nach Europa gebracht oder wie auf der Sinai-Halbinsel Opfer von Menschenhändlern werden. Die Visa wären ein legaler Weg in die Sicherheit und würden den Schutz für die Menschen vergrößern.
Wie sieht es mit der Unterstützung für diese Idee in den Mitgliedsstaaten aus?
Im Moment gibt es dafür keine breite Unterstützung, aber durch den Krieg in Syrien wird die Flüchtlingspolitik neu diskutiert. Wenn man diese Idee umsetzen will, muss es zu einer Vereinbarung mit dem UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, kommen, das für die Umsiedlung der Menschen verantwortlich ist. Die EU-Mitglieder müssen sicherstellen, dass die Konsulate in den betroffen Ländern oder angrenzenden Nachbarländern bereit und technisch fähig sind, die humanitären Visa auszustellen.
Welche Rolle spielt die deutsche Bundesregierung in den Debatten um eine Reform der europäischen Flüchtlingspolitik?
Die Bundesregierung hat sich mit der Bereitschaft, 10.000 Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen, an die Spitze innerhalb der Europäischen Union gesetzt. Zu einer Reform des Dublin-Abkommens, welches festlegt, dass der Flüchtling in dem Land Asyl beantragen muss, wo er angekommen ist, hat sich die Bundesregierung bisher nicht durchringen können. Aber auch dort muss es dringend zu Änderungen kommen.
Wolfgang Büttner ist Pressesprecher von Human Rights Watch Deutschland.