Aus für Giftmülldeponien gefordert
4. April 2018Die Einwohner von Wolokolamsk beschweren sich schon lange über den Gestank aus der nahe gelegenen Yadrovo-Mülldeponie. Jeden Tag laden Hunderte Wagen aus Moskau und Umgebung ihren Müll dort ab.
Als mehr als 50 Schüler aber vor zwei Wochen wegen Vergiftungserscheinungen behandelt werden mussten, eskalierte die Angelegenheit. Auch Erwachsene klagten über Übelkeit, Schwindelanfälle und Atembeschwerden. Die Behörden gaben schnell zu, dass aus der völlig überfüllten Mülldeponie eine Wolke giftiger Dämpfe ausgetreten war. Die Bewohner veranstalteten daraufhin Massenproteste und forderten die Verantwortlichen auf, die Deponie zu schließen.
Die Einwohner mehrerer anderer Städte in der Nähe von Moskau haben ähnliche Probleme mit ihren Mülldeponien gemeldet. Aus der historischen Stadt Kolomna hieß es, auch dort hätten Kinder gesundheitliche Beschwerden. Demonstranten versuchten daraufhin, die Müllwagen daran zu hindern, in das örtliche Mülldepot zu fahren, das rund 100 Kilometer von der russischen Hauptstadt entfernt liegt. Die Einwohner von Tarusa, Klin, Tutschkowo, Woskresenks und Naro-Fominsk - alles Städte im riesigen Moskowskaja-Bezirk - haben ebenfalls Demonstrationen veranstaltet oder Straßensperren eingerichtet.
Langsamer Killer
Die jüngsten Vergiftungen hätten die Unzufriedenheit zum Kochen gebracht, sagt die Umweltaktivistin Olga Noskovec. "Eine Mülldeponie ist ein langsamer Killer", so Noskovec. "Eine Erkrankung beginnt für diejenigen, die in der Nähe wohnen, sehr langsam. Aber hier ist alles sehr schnell gegangen."
Die russische Regierung reagierte auf die Vorfälle, indem sie den Leiter des Wolokolamsker Bezirks, Jewgeni Gawrilow, feuerte. Sie nahm aber auch einen der Organisatoren der Proteste fest, wegen Missachtung der Polizei. Darüber hinaus verpflichteten sich die Behörden dazu, eine zusätzliche Messstation zur Überwachung der Luftverschmutzung in Wolokolamsk einzurichten und eine Dekontaminierungsanlage zu installieren. Die Yadrovo-Mülldeponie zu schließen, brauche Zeit, so die Behörden.
Langfristiges Vorhaben
Aktivistin Noskovec warnt jedoch, die Behörden machten Zusagen, von denen sie gar nicht die Absicht hätten, sie auch einzuhalten. "Sie wollen nur die öffentliche Protestwelle stoppen und Zeit gewinnen. Unsere Behörden denken, dass das Problem von selbst wieder verschwindet", sagt sie. Das Problem mit der Abfallentsorgung und der Giftmülldeponien lasse sich nicht schnell lösen. Auch wenn die Schließung der umstrittenen Deponien die Situation verbessern könnte, wären die Standorte noch viele Jahre lang giftig. "Sie zu schließen ist eine Sache, eine vernünftige Renaturierung ein ganz anderes Thema", sagt Noskovec. "Mit einem Problem dieser Größenordnung umzugehen, ist eine Angelegenheit für Spezialisten. Und ich fürchte, dass es in Russland keine mehr geben könnte."
Russlands Kapazitäten zur Müllwiederverwertung sind im europäischen Vergleich ziemlich begrenzt. Es geht aber auch um finanzielle Interessen. Die Müllentsorgung in einer Metropole in der Größe Moskaus ist auch ein lukratives Geschäft, das von gut vernetzten Unternehmen betrieben wird, die - so Noskovec - Veränderungen und neue Technologien ablehnen.
Problem "Müllmafia"
"Es ist wirklich kein Geheimnis, dass wir dieses Ding namens 'Müllmafia' haben", sagt die Umweltaktivistin. "Es geht um viel Geld, und niemand kontrolliert es: Es geht an eine bestimmte Gruppe von Leuten, die dafür sind, diese Mülldeponien am Laufen zu halten", so Noskovec. "Es ist offensichtlich, dass es Lobbyarbeit auf höchster Ebene gibt", fügt sie hinzu.
Der Aktivist Dimitri Solomewitsch aus Kolomna sagte der DW, die Bewohner hätten Befürchtungen, mit einflussreichen Persönlichkeiten in Konflikt zu geraten. "Sie haben Angst, sich zu zeigen und offen ihre Meinung zu sagen. Sie sprechen nur, wenn niemand sonst zuhört. Aber es ist notwendig zu sprechen, sonst hören sie uns nicht."
Die Demonstranten aus Wolokolamsk haben nun eine Klage gegen die Yadrovo-Deponie eingereicht - wegen "zahlreicher Rechtsverstöße im Bereich des Umweltschutzes", darunter "selektive" Mülltrennung, und "starker Geruch von verrottendem Abfall". Sie fordern das Gericht auf, den Betrieb einstellen zu lassen, bis die Probleme gelöst sind. Das Gericht will nächste Woche über die Klage entscheiden.