Bühne frei für den Afrika-Cup
15. Januar 2015Dies ist seine Bühne, so viel ist schon jetzt klar. Und Teodore Obiang betritt sie gerne, sogar schon ein paar Tage, bevor sich der Vorhang hebt. Der Präsident von Äquatorialguinea nutzt die Gunst der Stunde mit einem Auftritt im nationalen Fernsehen kurz vor dem Auftakt der kontinentalen Fußball-Meisterschaft. "Ich habe 40.000 Tickets gekauft - aus eigener Tasche bezahlt", verkündet der dienstälteste Diktator Afrikas stolz seinen Mitbürgern. Und seine Aktion soll Schule machen, andere Wohlhabende im Land motivieren. "Wir müssen die Stadien füllen. Die, die Geld haben, mögen den Mittellosen helfen." Obiang als selbsternannter Robin Hood. In dieser Rolle dürfte er sich gerne sehen - doch sie ist eine ziemliche Anmaßung.
Seitdem sich Obiang 1979 an die Macht putschte, regiert - oder besser: kontrolliert - er sein Land mit eiserner Faust - so lange wie kein anderer afrikanischer Staatschef. Äquatorialguinea, mit gut 700.000 Einwohnern eines der kleinsten Länder Afrikas, ist zwar gemessen am durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen der reichste Staat des Kontinents. Doch von diesem vor allem dem Öl zu verdankenden Reichtum profitiert nur eine kleine Elite. Die Mehrheit seiner Landsleute muss laut der Weltbank mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen. Trotz dieser großen sozialen Kluft will sich das Land nun mit dem Afrika-Cup (17. Januar bis 8. Februar) einer breiten Weltöffentlichkeit präsentieren. PR mit dem Ball, dank vieler bunter Bilder von feiernden afrikanischen Fans, weltweit ausgestrahlt. Es soll der Eindruck von Offenheit entstehen in diesem sonst so hermetisch verschlossenen Land. Ein trügerischer Eindruck, denn wenige Tage vor dem Turnierstart wurden zwei Regimekritiker festgenommen, weil sie wegen der Ebola-Gefahr zu einem Boykott der Spiele aufriefen. Dass Oppositionelle in Äquatorialguinea auch Folter befürchten müssen, wurde von Menschenrechtsorganisationen bereits mehrfach scharf kritisiert.
Notfalllösung Äquatorialguinea
Ebola ist, wenn man so will, überhaupt erst der Grund, warum Äquatorialguinea das Turnier erhielt. Als Marokko im vergangenen November wegen der Ebola-Epidemie in Westafrika als Ausrichter absprang, nutzte Obiang die Chance und erhielt prompt den Zuschlag. Eine Entscheidung, die von vielen Fragen begleitet wurde und mit Blick auf die Landkarte Stirnrunzeln hinterlässt. Der deutsche Fußball-Weltenbummler Lutz Pfannenstiel findet es "komisch, dass man näher an den Ausbruchsherd herangeht". Schließlich sei die Gesundheit von Millionen wichtiger als ein Fußballturnier, sagte der Ex-Torhüter und TV-Experte dem Sport-Informations-Dienst. Doch dem Kontinentalverband CAF blieb keine andere Wahl, "es stand zu viel Geld auf dem Spiel". Marokko wurde vor dem Turnier ausgeladen, die Mannschaft Äquatorialguineas, martialisch "Nzalang Nacional" ("der nationale Donner") genannt, rückte nach.
Ob das kleine Land am Golf von Guinea fähig ist, das größte Turnier des afrikanischen Kontinents zu organisieren, stellen manche Experten infrage. Dabei hat die ehemalige spanische Kolonie bereits 2012 gemeinsam mit Gabun die 28. Auflage des Afrika-Cups ausgerichtet. Damals wurde in zwei Stadien des Landes gespielt: in der Hauptstadt Malabo und in Bata. Nun kommen mit Mongomo und Ebebiyin zwei Spielorte hinzu, beide an der Grenze zu Gabun.
Einreise mit Hindernissen
Die Liste der Probleme im Vorfeld ist lang: Die ohnehin kleinen Stadien sind immer noch nicht ganz fertig, die Infrastruktur wird für große Fanscharen kaum ausreichen, es mangelt an Hotelkapazitäten und obendrein drückt die Ölkrise das vom schwarzen Gold abhängige Land. Trotz der immensen Reichtümer der Elite fehlt den Cup-Veranstaltern offenbar das Kleingeld: Weil Transportmittel fehlten, ließ man sich 20 Busse vom Nachbarland Gabun schenken, damit die Teilnehmerteams auch zu den Spielorten kommen. "Man sagt bei uns: wenn der Nachbar feiert, dann feiert das ganze Dorf mit", sagte der gabunische Sportminister Blaise Louembe zu dieser Geste. Für anreisende Fans dürfte es nicht gerade leicht sein, ihrer Mannschaft durch das Land zu folgen: Eine schier endlose Prozedur der Visa-Vergabe, schlechte Verkehrswege und strenge Kontrollen auf Ebola erschweren den Schlachtenbummlern die Reise.
Einmal angekommen im Land dürfen sich die Fans aber auf guten und spannenden Fußball freuen. Denn wieder einmal ist der Afrika-Cup völlig offen. Nachdem Titelverteidiger Nigeria ebenso wie Rekordchampion Ägypten schon in der Qualifikation scheiterten, kann nun eine ganze Reihe von Mannschaften den Wettbewerb gewinnen. Da wäre zum Beispiel Algerien, das derzeit beste Team des Kontinents - zumindest laut FIFA-Weltrangliste. Nach einer starken WM, bei der die "Wüstenfüchse" den späteren Weltmeister Deutschland an den Rande einer Niederlage brachten, hat Trainer Christian Gourcuff die Arbeit von Vahid Halilodzic erfolgreich fortgesetzt und sich mit seinem Team als erste Elf für das Turnier qualifiziert. Aber Algerien trifft in der schwersten Gruppe des Turniers auf das kompakte Südafrika, den offensivstarken Senegal und Ghana. Letztere Elf zählt ebenfalls zu den Favoriten, nicht nur weil die "Black Stars" Deutschland bei der WM als einziges Team ein Remis abtrotzen konnten. Ghana ist aufgrund des starken Kaders auch ohne den Schalker Kevin-Prince Boateng für ein erfolgreiches Turnier gut.
Von Flügelflitzern und weißen Hexern
Dazu kommen chancenreiche Teams aus Tunesien, das an Qualität zugelegt hat, der Elfenbeinküste, die ohne Didier Drogba, aber mit Yaya Touré und Salomon Kalou auftreten wird, sowie die "Adler" aus Mali, die bei den beiden vergangenen Afrika-Meisterschaften jeweils auf Platz drei landeten. Und Kamerun? Der vierfache Afrikameister gehört in diesem Jahr eher zu den Außenseitern. Der deutsche Trainer Volker Finke vollzog im Sommer einen Umbruch im Team, sortierte viele Etablierte aus und Samuel Eto'o sagte der Nationalelf Adieu. Der Schalker Eric-Maxim Choupo-Moting ist nun einer der Leistungsträger und könnte zu einer der prägenden Figuren des Turniers werden. Vielleicht gelingt dies aber auch einem anderen Bundesligaprofi: Pierre-Emerick Aubameyang, kürzlich zum zweitbesten afrikanischen Fußballer hinter Yaya Touré gewählt, will mit seinen unwiderstehlichen Flügelsprints Gabun weit bringen. Das will auch Claude Le Roy, genannt der "Weiße Hexer", und seines Zeichens Trainer der "Roten Teufel" aus dem Kongo, der schon zum achten Mal am Afrika-Cup teilnimmt.
Neben allen sportlichen Vorhaben gibt es bei diesem Afrika Cup aber auch noch ein ganz anderes Ziel: Der Guineer Ibrahima Traoré von Borussia Mönchengladbach möchte "den Menschen durch den Fußball eine Menge Freude bereiten" und meint damit insbesondere seine von der Ebola-Epidemie gebeutelten Landsleute. Eine große Geste vor einem leidenden Volk. "Für Guinea stellt die Teilnahme an der Afrika-Meisterschaft in der aktuellen Situation etwas ganz Besonderes dar", sagte der Nationalspieler dem Fußballmagazin "Kicker". "Wenn ich ständig höre oder lese, dass Guinea immer nur mit Ebola in Verbindung gebracht wird, dann tut mir das sehr weh." Traoré will das unbedingt ändern - am liebsten mit vielen Toren. Auch für ihn ist dieser Afrika-Cup eine wichtige Bühne.