Böden gehen verloren
27. April 2015Weltweit verschlechtert sich der Zustand der Böden: eine schleichende Katastrophe, warnen Experten wie Jes Weigelt vom Institut für Nachhaltigkeitsstudien (IASS) in Potsdam. Der Agrarökonom ist im Institut für Bodenmanagement und Landpolitik zuständig und hat den Bodenatlas 2015 mit herausgegeben.
"Die Situation ist in vielen Regionen der Erde sehr gravierend", sagt Weigelt, der auch dieGlobal Soil Week, die Internationale Woche der Böden, in Berlin koordiniert.
Die Weltbevölkerung wächst stetig. Jeder soll satt werden, ein Dach über den Kopf haben, funktionierende Straßen und Infrastruktur nutzen können.
Doch die nutzbaren Flächen dafür schrumpfen immer mehr. Jedes Jahr gehen weltweit 24 Milliarden Tonnen fruchtbare Erde verloren: durch Erosion, Bebauung, Überschwemmungen, Rohstoffabbau oder durch Raubbau in der Landwirtschaft.
Nicht jede Fläche ist fruchtbarer Boden
Doch Fläche ist nicht gleich Boden, erklärt Luca Montanarella von der Europäischen Kommission und weist auf die vielfältige Nutzung hin. Er leitet das Europäische Büro für Böden (European Soil Bureau) am italienischen Lago Maggiore
Den Verlust von gutem Ackerboden in Europa schätzt er auf 1000 Quadratkilometer - pro Tag. Der größte Verlust werde durch den Bau von Straßen, Städten und Industrieanlagen verursacht, so Montanarella.
Durch Abtragen, Versiegelung und Verdichtung erstickt der Boden und verliert die Milliarden Kleinstlebewesen, Bakterien und Pilze, die eine Handvoll Erde zu einem lebendigen Mikrokosmos machen. Ist dieses Leben einmal vernichtet, bleibt von der einst fruchtbaren Erde nicht mehr als tote Materie.
"Es gibt Leute, die meinen, dass Böden erneuerbar sind", sagt Luca Montanarella. "Das sind sie auch - aber wir reden dann von Tausenden und Abertausenden von Jahren und nicht von Zeitspannen, die wir in Menschengenerationen erfassen können."
Bodenerhalt als Entwicklungsziel
Der Bodenexperte der Europa-Kommission hofft deshalb, dass der weltweite Schutz der Böden in den neuen nachhaltigen Entwicklungsziele, den Sustainable Development Goals (SDGs), einen prominenten Platz finden wird. Die Ziele sollen auf der UN-Generalversammlung im Herbst verabschiedet werden und die politischen Weichen für eine nachhaltige Entwicklung in Industrie- und Entwicklungsländern stellen.
Für Luca Montanarella zählt der Erhalt der Bodenqualität zu den wichtigsten Voraussetzungen einer nachhaltigen Entwicklung. Dabei müsse besonders die Landwirtschaft nachhaltiger werden.
"Wenn wir in Europa unsere Lebensmittelproduktion aufrecht erhalten wollen, müssen wir die fruchtbarsten Böden vor Zerstörung schützen", sagt er und macht auf ein weiteres Problem aufmerksam.
"Regionen wie die EU haben nicht genug Böden für den eigenen Konsum, sondern sind abhängig von Importen aus anderen Ländern."
Globalisierte Böden
Die EU-Länder importieren jährlich 35 Millionen Tonnen Sojabohnen und Soja-Schrot aus Nord- und Südamerika als Futtermittel für europäische Schweine, Hühner und Rinder.
Dabei gehen in den Anbauländern Flächen für nachhaltigere Zwecke verloren, weil dort zumeist gentechnisch veränderten Sojabohnen als Tierfutter für den Export angebaut werden. Doch auch in den Industrieländern, wie etwa in Deutschland, wird diese globalisierte Massentierhaltung zunehmend zum Problem.
Denn, so erklärt der Agrarwissenschaftler Knut Ehlers vom Umweltbundesamt: "Der Großteil der Nährstoffe wandert durch die Tiere durch, in die Gülle - und wird dann betriebsnah ausgebracht." Das verursacht in Deutschland erhebliche Umweltprobleme, besonders in Bundesländern mit intensiver Tierhaltung.
Umweltrechnung geht an Steuerzahler
Gülle ist zwar ein Düngemittel, doch zu viel davon ist Gift für die Böden und Gewässer. "Wenn dabei negative Umweltauswirkungen entstehen - was häufig der Fall ist -, dann fallen diese Kosten in der Gemeinschaft an", sagt Ehlers. Für die Schäden aus intensiver Nutztierhaltung müssen letztendlich die Steuerzahler geradestehen.
Nachhaltig ist eine solche Landwirtschaft nicht, betont der Bodenexperte vom Umweltbundesamt. Er hofft, dass die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema Verlust der Böden auf nationaler und auf EU-Ebene und zu einer nachhaltigeren Politik führen wird und zur Förderung des Ökolandbaus.
Gesundes Essen auf gesunden Böden
"Wir dürfen Landwirtschaft nicht nur in Richtung maximale Erträge denken", sagt der Umweltexperte. "Es geht vielmehr um das Wechselspiel zwischen landwirtschaftlichen Erträge und andere Ökosystem-Dienstleistungen."
Das wäre nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Menschen gesünder, meint dazu der Schweizer Agrar- und Entwicklungsexperte Hans Herren. "Wenn wir vielfältiger essen würde, wäre auch die Landwirtschaft nachhaltiger, weil sie mehr unterschiedliche Produkte produzieren müsste", sagt Herren, der 2013 mit dem Alternativen Nobelpreis, dem Right Livelihood Award für seine Arbeit ausgezeichnet wurde. "Das hieße mehr und bessere Fruchtfolgen - was zu weniger Bodenkrankheiten, mehr Mikrolebewesen im Boden und damit zu gesünderen Böden führt."