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Politik

Mehr deutsche Soldaten für Afghanistan

22. März 2018

Seit rund 16 Jahren ist die Bundeswehr in Afghanistan, ein Ende ist erst einmal nicht in Sicht. Nun wird die Truppengröße aufgestockt - aller Kritik zum Trotz.

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Afghanistan Bundeswehrsoldaten im Einsatz nahe Kundus
Bundeswehrsoldaten im Einsatz nahe Kundus (Archivbild) Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Eigentlich sollte die Bundeswehr schon lange nicht mehr in Afghanistan sein. Nun wird ihr Einsatz verlängert - und die Truppengröße aufgestockt. Statt höchstens 980 sollen nun 1300 Soldaten am Hindukusch stationiert werden und sich an der Ausbildungsmission der NATO beteiligen. Das hat der Bundestag entschieden. 447 Abgeordnete stimmten dafür - und damit deutlich mehr als die Regierungsmehrheit von Union und SPD, die 399 Sitzen entspricht.

Zuvor hatten die Parlamentarier die deutsche Beteiligung am Kampf gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) bis Ende Oktober verlängert. Damit können in Jordanien stationierte Tornado-Aufklärungsjets und Tankflugzeuge der Luftwaffe weiter am Anti-IS-Einsatz in Syrien und im Irak teilnehmen. Außerdem wird die Ausbildungsmission der Bundeswehr, die bisher auf kurdische Kämpfer im Nordirak begrenzt war, auf die regulären irakischen Streitkräfte ausgedehnt.

Abzug in weiter Ferne

Die Bundeswehr-Mandate müssen jährlich parlamentarisch abgesegnet werden. Seit dem Ende des NATO-Kampfeinsatzes 2013 ist dies die zweite Verstärkung für das Afghanistan-Kontingent. Damals hatte man schon von einem potenziellen Abzug aller Truppen gesprochen. Doch das ist ein Ziel, das nun in weiter Ferne zu liegen scheint. Die zusätzlichen Soldaten seien nötig, da die radikalislamischen Taliban wieder erstarkt seien und sich auch der IS weiter ausbreite, hieß es seitens des Verteidigungsministeriums. 

AFGHANISTAN-UNREST
Afghanische Polizisten nach dem Anschlag in Kabul: Wie lange werden sie noch von ausländischen Partnern unterstützt? Bild: AFP/Getty Images

Erst am Mittwoch - dem Tag des persischen Neujahrsfests - waren bei einem Anschlag in der afghanischen Hauptstadt Kabul mindestens 26 Menschen getötet worden, darunter viele Jugendliche. Die IS-Miliz beanspruchte das Attentat für sich. Es war der fünfte Selbstmordanschlag in Kabul innerhalb weniger Wochen.  Aufgrund der anhaltenden Angriffe hatte wohl auch die NATO Druck auf Deutschland ausgeübt. Die NATO-Staaten hatten bereits 2017 beschlossen, die Zahl der Soldaten von 13.000 auf 16.000 zu erhöhen. 

Afghanistan Hanif Atmar
Der ehemalige afghanische Innenminister Hanif AtmarBild: picture alliance/AP Photo/R. Gul

Machtvakuum befürchtet 

Die afghanischen Sicherheitskräfte seien nicht in der Lage, selbst für Sicherheit zu sorgen. Dem "Patienten" gehe es nicht gut, heißt es aus Militärkreisen. Bevor man sich vom Operationstisch abwende, wolle man lieber weiter "herumdoktern". Bei einem Abzug fürchtet man ein Machtvakuum, in das die Taliban oder der IS stoßen. Auch der ehemalige Innenminister Afghanistans, Hanif Atmar, forderte im DW-Interview einen Verbleib der deutschen Truppen. "Wir sehen uns mit einer gemeinsamen Bedrohung konfrontiert, die nicht nur gegen uns Afghanen gerichtet ist." Auch Deutschland, Europa, die Vereinigten Staaten und die gesamte Weltgemeinschaft seien betroffen. Diese gemeinsame Bedrohung zu bekämpfen, erfordere eine gemeinsame Strategie und eine gemeinsame Mission, der die NATO, die Vereinigten Staaten und Afghanistan gemeinsam angehören sollten. Das Engagement Deutschlands mit seinem Bundeswehreinsatz sei "eines der wirksamsten Instrumente".  

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wirbt für "langen Atem" (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Auch Almut Wieland-Karimi, Direktorin am Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (zif), spricht sich für einen langen Atem aus. Im Interview mit der DW sagt sie, dass es sich bei der Mission um eine "langfristig angelegte Strategie" handele. "Sobald die afghanische Armee zusammen mit der Polizei für Sicherheit sorgen kann und es eine gute Regierungsführung gibt, wäre das für uns ein Zeichen, das Land verlassen zu können." Doch bis dahin scheint es noch ein langer Weg zu sein. Auch Markus Potzel, von 2014 bis 2016 deutscher Botschafter in Afghanistan, sagt im DW-Gespräch, dass die Sicherheitslage sich vor allem in den Städten verschlechtere. Dennoch gebe es auch Erfolge zu vermelden. "Die Lebenserwartung ist enorm gestiegen, das Gesundheitswesen ist besser als zuvor, die Bildung hat sich verbessert, das Pro-Kopf-Einkommen hat sich zwischen 2005 und 2015 fast verdoppelt. Das sollten wir nicht vergessen."

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte ebenfalls an das Durchhaltevermögen in den Konfliktregionen appelliert. "Afghanistan darf nicht wieder zur Brutstätte des Terrors werden", sagte die CDU-Politikerin. Es brauche zusätzliche Schutzkräfte für die deutschen Ausbilder und Berater, begründete sie die geplante Aufstockung der Truppe am Hindukusch. Ein stabiles Afghanistan bleibe in deutschem Interesse. Die Bundeswehr hatte ihren Kampfeinsatz 2013 beendet und ist seitdem ausschließlich für die Ausbildung und Beratung der afghanischen Armee vor Ort. Zur Waffe greifen dürfen die deutschen Soldaten nicht mehr, es sei denn, sie müssen Gefahr für Leib und Leben von sich oder Partnern abwenden. 

"Keine realistischen Zwischenziele" 

Es ist nicht nur die längste, sondern auch die verlustreichste Mission der Bundeswehr: Bereits seit 16 Jahren läuft der Einsatz am Hindukusch. In dieser Zeit sind 56 Bundeswehrsoldaten ums Leben gekommen. Nicht nur deshalb ist ihr Einsatz umstritten. Agnieszka Brugger, Vize-Fraktionschefin von Bündnis 90/Die Grünen, sagte im Interview mit dem Deutschlandfunk: "Nach 17 Jahren Militäreinsatz muss man, glaube ich, feststellen, dass man die Ziele dort nicht erreicht hat, dass es mittlerweile auch von der Bundesregierung, auch von der internationalen Gemeinschaft nach wie vor keine realistischen Zwischenziele gibt." Ihr Nein in der Abstimmung sei allerdings kein Plädoyer für einen Sofortabzug. "Das würde der Lage sicherlich auch nicht helfen."

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft