Bundeswehr-Reform im Schneckentempo
24. Januar 2017Ob in Mali, im Mittelmehr oder in Litauen: Immer mehr deutsche Soldaten sind international im Einsatz. So ist es politisch gewollt. Die Bundesregierung will mehr Verantwortung in den Bündnissen übernehmen - in Europa, in der NATO, in einer Welt, die schwieriger geworden ist. Dazu gehört auch die militärische Verantwortung. Er finde das richtig, sagt der CDU-Politiker Hans-Peter Bartels, der seit zwei Jahren Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestags ist. "Aber wenn man das will, dann müssen die Instrumente dafür auch voll funktionsfähig sein."
Das sind sie allerdings nicht und hier setzt Bartels Kritik an. Die Trendwende beim Personal, beim Material und beim Haushalt sei zwar politisch beschlossen worden. Das Umsteuern aber dauere viel zu lange. "Die Lücken beim Personal sind zu groß - und es geht zu langsam, sie zu schließen", so Bartels, dessen Jahresbericht auf 95 Seiten so viele Mängel auflistet wie selten zuvor. Allem voran der Besetzungsgrad, der sowohl beim Heer als auch bei der Luftwaffe und der Marine teilweise nur 50 Prozent beträgt.
Strukturelle Mängel
Insbesondere bei der Marine führe das zu einer erheblichen Mehrbelastung, weil die Soldaten viel mehr Tage auf See verbringen müssten als vorgesehen. "Wenn die Matrosen mit der einen Besatzung zuhause eingelaufen sind, müssen sie mit dem nächsten Schiff wieder rausgehen, weil da nun gerade jemand fehlt, der, wenn er nicht da ist, das ganze Schiff in Frage stellen würde", berichtet Bartels. Das sei ein "Dauerthema" - auch bei der U-Boot-Flotte. "Man hatte sich vorgenommen, bis zum Ende des Jahres 2016 fünf Besatzungen einsatzfähig zu haben, tatsächlich sind es jetzt komplett wieder nur zwei."
Auch beim Gerät hapert es. Hubschrauber, die nicht kommen, großes Gerät, das nicht einsatzbereit ist. Die 225 vorhandenen Kampfpanzer sollen um 100 gebrauchte, modernisierungsbedürftige "Leopard 2" aufgestockt werden. Der Zeitraum für den Rückkauf beträgt sieben Jahre. "Warum dauert das so lange?", fragt Bartels. Insgesamt soll die Vollausstattung für derzeitige Aufgaben bis 2030 dauern. "Da muss einiges passieren", fordert der Wehrbeauftragte. "Die Zeit der Diskussionen, ob es Probleme gibt und ob man das sagen darf, ist vorbei." Viele Probleme seien erkannt und anerkannt, jetzt gehe es um Lösungen und um Tempo.
3000 Beschwerden von Soldaten
Bartels mahnt zudem einen Mentalitätswandel und ein Überdenken bürokratischer Verfahren an. "Business as usual und Dienst nach Vorschrift helfen gerade jetzt nicht mehr weiter."
Der Wehrbeauftragte ist so etwas wie ein "Anwalt der Soldaten" und kümmert sich um Sorgen und Nöte in der Truppe. Der Bedarf war im Jahr 2016 besonders groß. Trotz rückläufiger Personalzahlen erreichten Bartels mehr als 3000 persönliche Eingaben von Soldaten. Nur 1959 waren es mehr. Besonders die Überlastung, der Einsatz der Soldaten in der Flüchtlingshilfe und eine in der Truppe sehr umstrittene Arbeitszeitverordnung beschäftigte die Soldaten.