Saudische Soldaten lernen in Deutschland
29. April 2019Demnächst bildet die Bundeswehr in Deutschland einige saudische Soldaten zu Offizieren aus. Und das, obwohl Saudi-Arabien seit 2015 im Jemen einen blutigen Krieg führt. Die Information der Deutschen Presse-Agentur (dpa), die das Verteidigungsministerium bestätigte, sorgt bei den Oppositionsparteien für Empörung. Linke und Grüne forderten am Montag die sofortige Einstellung des Projekts.
Die nun anstehende Ausbildung saudischer Soldaten geht auf einen Besuch von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in der saudischen Hauptstadt Riad Ende 2016 zurück. Dort vereinbarte die CDU-Politikerin mit dem heutigen Kronprinzen Mohammed bin Salman, der damals noch Verteidigungsminister war, dass einzelne Soldaten des Landes in Deutschland ausgebildet werden. Ein entsprechendes Abkommen wurde dann im April 2017 in Dschidda unterzeichnet.
"Humanitäre Katastrophe"
Dabei kämpft Riad seit gut vier Jahren mit einer Allianz arabischer Staaten, vor allem den Vereinigten Arabischen Emiraten, gegen Huthi-Rebellen im benachbarten Jemen, die ihrerseits vom Iran unterstützt werden. Dieser Krieg führte zu einer humanitären Katastrophe, die die Vereinten Nationen als derzeit schlimmste weltweit einstufen.
Auch die bestialische Ermordung des saudi-arabischen Regierungskritikers Jamal Khashoggi in Istanbul im Oktober 2018 überschattet die Kooperation. Außerdem ließ Saudi-Arabien vor wenigen Tagen 37 Menschen wegen Terrorismusvorwürfen hinrichten - darunter wohl auch mehrere, die zum Zeitpunkt der ihnen zur Last gelegten Verbrechen noch minderjährig waren.
"Schleunigst beenden"
Der Außenpolitiker der Grünen, Omid Nouripour, forderte nun, die Kooperation bei der Ausbildung von Offizieren "schleunigst" zu beenden. "Nicht nur wegen der katastrophalen Kriegsführung des Landes in Jemen, sondern auch wegen der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien selbst", sagt er der Deutschen Welle unter Verweis auf die jüngsten Hinrichtungen. Berlin müsse die Sicherheitskooperation mit Riad überdenken.
Die Vize-Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, Sevim Dagdelen, nannte es "einfach ungeheuerlich", dass die Bundesregierung "für die islamistische Kopf-ab-Diktatur die Schlächter in Deutschland ausbilden lässt", und fordert eine sofortige Beendigung. Dagegen verteidigte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak die Kooperation. Nach wie vor halte es seine Partei für "wichtig, in Kontakt zu bleiben und miteinander zu sprechen und auch gemeinsam zusammenzuarbeiten".
Langjährige Praxis
Die Ausbildung künftiger Offiziere anderer Länder sind an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg gängige Praxis, wie langjährige Kenner erläutern. Deutschland unterhält solche militärischen Beziehungen wie zu Saudi-Arabien zu etwa 100 Ländern weltweit.
Zum einen erfolgt in Hamburg seit langem - als eine Grundidee des westlichen Verteidigungsbündnisses, der NATO - eine wechselseitige Ausbildung mit NATO-Partnern. So lernen beispielsweise französische, englische und amerikanische Offiziersanwärter in Hamburg und im Gegenzug deutscher Offiziernachwuchs in Frankreich, England und den USA. Auch aus afrikanischen Ländern, aus China, Pakistan, Jordanien und Ägypten absolvieren jeweils einige künftige militärische Führungskräfte in Hamburg ihre Ausbildung. Das gilt übrigens nicht für die Vereinigten Arabischen Emirate, die auch am Krieg im Jemen beteiligt sind, und für Katar, das immer wieder mit dem Vorwurf der Unterstützung islamistischer Terroristen konfrontiert ist.
Kündigung möglich?
Aktuell sei dieses internationale Engagement bei der Ausbildung besonders wichtig, weil man so längerfristig Werte-Vorstellungen beeinflussen könne, sagt jemand mit viel Erfahrung, der nicht genannt werden möchte. Rechtlich wäre ein Stopp des Projekts möglich. Das auf zunächst fünf Jahre vereinbarte Abkommen zwischen Riad und Berlin lässt eine sofortige Beendigung im beiderseitigen Einvernehmen oder eine einseitige Aufkündigung mit einer Frist von sechs Monaten zu. Immerhin gab es nach der Bildung der Regierungskoalition in Deutschland einen teilweisen Rüstungsexportstopp gegen die unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligten Staaten, zu denen Saudi-Arabien gehört. Nach der Tötung Khashoggis im Oktober 2018 wurde daraus ein kompletter Lieferstopp für Saudi-Arabien, der erst kürzlich leicht gelockert wurde.
Aber falls Berlin das Abkommen jetzt einseitig und damit mit sechs Monaten Vorlauf kündigt, würde das zumindest einen Start des Lehrgangs nicht verhindern. Denn in bereits gut zwei Monaten startet der Offiziers-Lehrgang der ersten Saudis beim deutschen Heer und der Luftwaffe.