Aussetzung des Familiennachzugs bis Ende Juli
1. Februar 2018Das Wichtigste in Kürze:
- Union und SPD haben im Bundestag die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär schutzberechtigte Flüchtlinge bis Ende Juli beschlossen
- Danach soll eine mögliche neue große Koalition eine Neuregelung ausarbeiten, die die Aufnahme von monatlich 1000 Familienangehörigen ermöglicht
- Heftige Kritik an den Regelungen kam in der Parlamentsdebatte von Grünen und Linken, die AfD forderte dagegen den kompletten Wegfall des Nachzugsanspruchs
Der Familiennachzug zu subsidiär schutzberechtigten Flüchtlingen bleibt über Mitte März hinaus für weitere viereinhalb Monate ausgesetzt. Mit der Mehrheit von 376 Stimmen beschloss der Bundestag in Berlin die von CDU/CSU und SPD vorgeschlagene Übergangslösung. 248 Abgeordnete votierten in namentlicher Abstimmung gegen den Kompromiss von Union und SPD.
Bis Ende Juli will die mögliche neue große Koalition eine Neuregelung auf den Weg bringen, die ab August die Aufnahme von monatlich 1000 Familienangehörigen ermöglicht. Auf dieses Kontingent haben sich Unionsparteien und SPD bereits in den Sondierungsgesprächen geeinigt. Zusätzlich sollen weiterhin Visa in Härtefällen erteilt werden, die nicht auf das Kontingent angerechnet werden, wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im Bundestag sagte.
SPD für großzügigere Auslegung der Härtefallregelung
Die SPD-Politikerin Eva Högl forderte, die Härtefallregelung künftig anders auszulegen, damit mehr Menschen als in der Vergangenheit damit geholfen werden könne. Die Klausel galt schon während der Aussetzung des Familiennachzugs ab März 2016, fand aber selten Anwendung. Ende Dezember teilte das Auswärtige Amt mit, dass darüber im vergangenen Jahr gerade einmal 96 Menschen ein Visum erteilt wurde. Die SPD möchte den Kompromiss insgesamt großzügiger auslegen. "Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, diese Härtefälle anders auszulegen und anders auszugestalten, dass unter diese Härtefälle mehr als 96 Personen kommen", sagte Högl. Zudem müsse die Regelung im Sinne des Kindeswohls und unter Berücksichtigung der UN-Kinderrechtskonvention interpretiert werden. "Das ist unsere Aufgabe."
Von der Aussetzung des Familiennachzugs sind vor allem Syrer betroffen, denen als Bürgerkriegsflüchtlinge oftmals nur der untergeordnete subsidiäre Schutz zuerkannt wird. Anders als Flüchtlinge mit dem Schutzstatus nach der Genfer Konvention haben sie keinen Anspruch mehr, ihre Kernfamilie - also Ehegatten, minderjährige Kinder oder Eltern - nach Deutschland nachzuholen.
Vertreter von Union und SPD verteidigten vor dem Parlament ihren Kompromiss. Die anderen Parteien lehnten die Vereinbarung ab. "Unser Kompromiss steht für Humanität und Verantwortung, für Integration und Begrenzung, für Großzügigkeit und Realismus", hatte de Maizière vor der Abstimmung die weitere Begrenzung des Familiennachzugs gegen Kritiker verteidigt. "Manche Idealisten halten die Regelung für zu streng", betonte der CDU-Minister. Die gefundene Lösung sei aber angemessen. Das geplante Kontingent von 1000 Menschen pro Monat begrenze den Familiennachzug, Härtefälle würden aber weiter berücksichtigt. "Ja, das ist ein Kompromiss", räumte de Maizière ein.
Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer bezeichnete die Lösung als verantwortungsvoll und angemessen. Er mahnte, die Kommunen würden überfordert, wenn eine "ungezügelte Familienzusammenführung" bei subsidiär Geschützten erlaubt würde.
Kritik von Grünen und Linken
Die Grünen und die Linke kritisierten den Entwurf der Koalitionsparteien. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warf der SPD Umfallerei beim Familiennachzug für Flüchtlinge vor. "Sie knicken ein in der Familienfrage", sagte Göring-Eckardt. "Wie klein will sich die SPD eigentlich noch machen? Sie sind noch in keiner Koalition. Sie können heute hier zeigen, dass es Ihnen wirklich um die Familien geht." Sie forderte die SPD-Abgeordneten auf, gegen die weitere Aussetzung des Familiennachzugs zu votieren. So formulierten es die Grünen auch in einem eigenen Gesetzentwurf.
"Dieses Gesetz ist willkürlich, moralisch fragwürdig und unmenschlich", kritisierte der Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch in der abschließenden Beratung der Gesetzespläne den Entwurf. Aus einem Rechtsanspruch auf Familiennachzug werde reines Ermessen gemacht. Die Festlegung auf 1000 Menschen sei "reine Willkür". Die Linke verlangte in einem von ihr eingebrachten Gesetzentwurf, die derzeitige Warteregelung sofort aufzuheben.
Dem Parlament lagen noch weitere Gesetzentwürfe von AfD und FDP vor. Die AfD forderte einen "völligen Wegfall des gesetzlichen Nachzugsanspruchs für Familienangehörige subsidiär Schutzberechtigter". Die FDP-Fraktion wollte den Nachzug nur in Ausnahmefällen zulassen, ansonsten aber zwei weitere Jahre aussetzen.
sti/myk/sam (dpa, afp, rtr, epd, KNA)