Eklat im Innenausschuss
20. Juni 2016Eine "Farce" sei diese Anhörung, sagen die Abgeordneten der Opposition unisono. Ihr Unmut richtet sich gegen das aus ihrer Sicht einseitige Vorgehen der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD. Es geht um die Auswahl der Sachverständigen, die am Montag in Berlin zur öffentlichen Sitzung des Innenausschusses geladen sind. Sie sollen sich zum Gesetzentwurf für einen "besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus" äußern.
Hinter dieser bürokratischen Formulierung verbirgt sich ein "Quantensprung" beim Datenschutz zwischen Nachrichtendiensten und Staaten. Das klingt nach einer Verbesserung, der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar meint aber das Gegenteil. Der geplante massenhafte Austausch von Daten zwischen Sicherheitsbehörden verschiedener Länder wäre ein Instrument mit "erheblicher Eingriffstiefe". Caspar vergleicht das Potenzial des Gesetzesvorhabens mit einem Kochtopf: Alle würden Daten reinwerfen und jeder könne sich rausnehmen, was er wolle. Der Zugriff wäre "unkontrollierbar".
Datenschützer warnt vor "Ringtausch" zwischen Geheimdiensten
Sollte das Gesetz so wie geplant verabschiedet werden, würde es zu einem "Ringtausch zwischen internationalen Nachrichtendiensten" führen. Die heftige Kritik des staatlichen Hamburger Datenschützers dürfte ganz nach dem Geschmack von Grünen und Linken sein. Allerdings haben deren Mitglieder im Innenausschuss des Bundestages den Sitzungssaal E 300 im Paul-Löbe-Haus zu diesem Zeitpunkt schon längst verlassen. Ihr Antrag, die Anhörung abzusetzen, wurde mit der Mehrheit von Konservativen und Sozialdemokraten abgelehnt. Daraufhin verließ die Opposition geschlossen den Saal.
Ihnen entgeht deshalb auch, wie die Präsidenten des Bundeskriminalamtes, der Bundespolizei und des Bundesamtes für Verfassungsschutz für den Gesetzentwurf werben. Das Trio Holger Münch (BKA), Dieter Romann (Bundespolizei) und Hans-Georg Maaßen (BfV) befürwortet erwartungsgemäß eine Ausweitung der Kompetenzen ihrer Behörden. Die Sicherheitslage habe sich in den vergangenen Jahren gravierend verändert, darauf müsse der Staat reagieren, sagt Maaßen. Namentlich der "Islamische Staat" (IS) sei keine Terror-Organisation wie die "Rote Armee Fraktion" (RAF) in den 1970er Jahren. Der IS sei ein "staatsähnliches Gebilde, das uns den Krieg erklärt hat".
Verfassungsschutz-Chef Maaßen: Austausch "dringend erforderlich"
Maaßens Kollegen Münch und Romann sehen das genauso. Der BfV-Präsident spricht unter Verweis auf die Attentate von Paris und Brüssel von der internationalen Vernetzung der mutmaßlichen Täter. "Wir gehen davon aus, dass es Schläfer geben könnte", führt Maaßen weiter aus. Also potenzielle Terroristen, die nur auf den geeigneten Zeitpunkt für einen Anschlag warten. Deshalb halten alle drei Behördenchefs eine vertiefte Kooperation mit anderen Staaten für "dringend erforderlich".
Dem widerspricht weder der Hamburger Datenschützer Caspar noch die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff. Beide verweisen aber auch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz. Das haben die Karlsruher Richter im April weitgehend gekippt. Trotzdem halten sie heimliche Überwachungsmaßnahmen zur Abwehr von Terror-Gefahren für "im Grundsatz mit den Grundrechten vereinbar". Sie pochen aber gleichzeitig auf einen besseren Datenschutz, mehr Transparenz und effektivere Kontrollmöglichkeiten. All das, so sehen es Caspar und Voßhoff, gilt auch für den aktuellen Gesetzentwurf zum internationalen Informationsaustausch zwischen Geheimdiensten. Darin finden sich Maßnahmen wie der Einsatz von verdeckten Ermittlern, die den Verfassungsrichtern schon beim BKA-Gesetz zu unscharf formuliert waren.
Opposition vermisst "ordentliches parlamentarisches Verfahren"
Unter dem Eindruck der Experten-Anhörung zum geplanten neuen Anti-Terror-Gesetz könnte die Opposition einigermaßen beruhigt sein. Trotzdem will sie beim Parlamentspräsidenten Beschwerde einlegen. Irene Mihalic von den Grünen begründet dieses mit den Linken abgestimmte Vorgehen, dass kein "ordentliches parlamentarisches Verfahren" möglich sei.Beide Fraktionen bemängeln, dass die Chefs der Sicherheitsbehörden keine schriftlichen Stellungnahmen vorgelegt hätten. Außerdem halten sie das Vorgehen im vorgesehenen Zeitplan für zu schnell. Über den Gesetzentwurf soll bereits in dieser Woche im Bundestag abgestimmt werden. Entstanden ist der Text in vergleichsweise kurzer Zeit nach den Terroranschlägen in Paris und Brüssel. Nach diesen Attentaten mit vielen Toten waren erhebliche Defizite beim internationalen Informationsaustausch über Terrorverdächtige offenbar geworden.