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Politik

Bundestag befasst sich mit Bluttests

11. April 2019

Kontrovers hat der Bundestag über Bluttests in der Schwangerschaft zur Erkennung des Down-Syndroms debattiert. Für einige Abgeordnete ging es um sachliche Fragen der Krankenkassen. Für andere um moralische Grundsätze.

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Blutabnahme Symbolbild
Bild: picture-alliance/dpa/B. Thissen

Eine Mehrheit der Bundestagsabgeordneten sprach sich dafür aus, den Bluttest für Schwangere zur Erkennung des Down-Syndroms in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufzunehmen. Dies würde die Möglichkeit schaffen, eine verpflichtende Beratung für die werdenden Eltern einzuführen - was außerhalb des Gesundheitswesens nicht möglich sei, sagte die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Schmidtke (CDU) zum Auftakt der Debatte.

Auch SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach sprach sich dafür aus, die Bluttests in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen. Er verwies auf die Risiken der alternativ möglichen Fruchtwasseranalyse, deren Kosten bereits von den Kassen übernommen werden. Der bessere Bluttest dürfe aber Frauen, die ihn sich nicht leisten könnten, nicht vorenthalten werden.

Ähnlich äußerte sich Linken-Abgeordnete Cornelia Möhring. Der Test sei im Gegensatz zur Fruchtwasseruntersuchung, die von den Kassen übernommen wird, risikofrei. Es sei daher weder rational noch medizinisch oder ethisch zu erklären, für den Bluttest andere Grenzen zu ziehen. "Eine Untersuchung ohne Risiko für Fötus und Schwangere ist deutlich besser als eine Untersuchung mit Risiko".

Gegner äußern Bedenken

Die Gegner einer Kostenerstattung durch die Kassen warnen, es könne zu einer Ausweitung der Tests und letztlich einer Zunahme von Abtreibungen kommen.  Der AfD-Politiker Volker Münz sagte, die Erwartungshaltung gegenüber Müttern, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, würde größer werden.

SPD-Abgeordnete Dagmar Schmidt bezweifelte den Nutzen der vorgeburtlichen Bluttests, da Trisomie 21 nicht heilbar sei. Sie stehe zu einer inklusiven Gesellschaft. "Die Schwangerschaft sollte nicht durch diese Untersuchung belastet werden." Die SPD-Politikern hat selbst einen Sohn mit Down-Syndrom.

Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grüne) verwies als warnendes Beispiel auf Island, wo kaum noch Menschen mit Down-Syndrom auf die Welt kämen, da Abtreibung im Falle von Trisomie 21 der Normalfall wäre. Down-Syndrom sei aber keine Krankheit. Familien mit Down-Syndrom-Kindern seien genauso glücklich oder unglücklich wie andere Familien. Die Übernahme des Bluttests durch die Krankenkasse sei nur bei sogenannten Risikoschwangerschaften medizinisch nachvollziehbar. In jedem Fall müsse die Behandlung mit einer Beratung einhergehen.

Evangelische und katholische Kirche uneins

Bereits vor der Debatte hatten sich die evangelische und die katholische Kirche zu dem Thema geäußert. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sprach sich dafür aus, vorgeburtliche Bluttests auf Trisomie 21 unter bestimmten Bedingungen zur Kassenleistung zu machen. Der Schutz von Ungeborenen gelinge am besten, "wenn man verhindert, dass vorgeburtliche Tests, die ja längst verfügbar sind, ungeregelt genutzt werden", sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. Denn dann bestehe die große Gefahr, dass menschliches Leben nach bestimmten Kriterien "aussortiert" werde.

Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm
Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-StrohmBild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

Die EKD verbinde ihre Zustimmung zu vorgeburtlichen Tests als Kassenleistung deshalb mit der Bedingung, dass Schwangere das Angebot einer psychosozialen Beratung bekämen, deren Ziel der Lebensschutz ist, sagte Bedford-Strohm. "Entscheidend ist für mich, dass wir am unbedingten Ziel festhalten, die Zahl der Abtreibungen zu minimieren."

Keine Unterscheidung zwischen lebenswert und nicht lebenswert

Das sehen Angehörige der katholischen Kirche anders. Sie forderten alle Abgeordneten auf, solche Tests nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen. "Wir appellieren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, keine Beschlüsse zu fassen, die im Resultat dazu geeignet sind, die Zahl der Abtreibungen zu erhöhen", sagte Prälat Karl Jüsten, der Leiter des katholischen Büros Berlin der katholischen Bischofskonferenz. "Alle Tests zur Feststellung von Trisomie 21 zielen darauf ab, eine Behinderung festzustellen." Damit werde stets die Frage aufgeworfen, ob ein Kind mit Behinderung eine Lebenschance erhalte oder nicht. "Die Kirche unterscheidet aber niemals zwischen lebenswert und nicht lebenswert. Deshalb lehnt sie alle Tests ab, die zum Ziel die Selektion haben."

Prälat Karl Jüsten
Prälat Karl JüstenBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Geringeres Risiko für die Schwangere

Bis vor einigen Jahren konnten Ärzte Trisomie 21 vor der Geburt nur durch invasive Methoden - etwa die Untersuchung des Fruchtwassers feststellen. Dieses Verfahren liefert zwar sehr präzise Ergebnisse, kann aber auch zu Komplikationen führen - bis hin zu einer Fehlgeburt. Praktisch keine Risiken hingegen gibt es bei dem seit 2012 existierenden Bluttest. Dabei wird der schwangeren Frau ab der vollendeten neunten Schwangerschaftswoche Blut aus der Vene abgenommen.

Die Bluttests ermöglichen es, die DNA-Spuren des Ungeborenen herauszufiltern und auf Chromosomen-Störungen zu untersuchen. So lässt sich ermitteln, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für eine Trisomie 21 ist. Die Tests gelten als weniger zuverlässig als die Fruchtwasseranalyse; ihr großer Vorteil liegt aber in dem sehr geringen gesundheitlichen Risiko. Bisher sind die rund 130 Euro teuren Bluttests meist selbst zu zahlen. Bei Risikoschwangerschaften zahlen die Kassen den Test - etwa, wenn die Schwangere über 35 Jahre alt ist oder schon ein Kind mit Chromosomen-Anomalie bekommen hat.

Die Parlamentarier kamen nicht zusammen, um einen Beschluss zu fassen. Die Orientierungsdebatte diente dazu, mögliche Lösungswege für den Gesetzgeber auszuloten. Ob die Tests künftig Kassenleistung werden, wird derzeit vom zuständigen Gemeinsamen Bundesausschuss im Gesundheitswesen geprüft.

Bei einem Down-Syndrom haben Menschen in jeder Zelle ein Chromosom mehr als andere Menschen. Das Chromosom 21 ist dreifach vorhanden, daher auch die Bezeichnung Trisomie 21. Folgen sind körperliche Auffälligkeiten und eine verlangsamte motorische, geistige und sprachliche Entwicklung. Die Ausprägungen sind aber sehr unterschiedlich.

lh/pg (dpa, epd, afp)