Bundesregierung zufrieden mit Corona-Warn-App
23. September 2020100 Tage nach Einführung der deutschen Corona-Warn-App hat die Bundesregierung eine positive Bilanz gezogen und zu einer verstärkten Nutzung der Software aufgerufen. Mit Blick auf den Herbst komme ihr eine "große Bedeutung" zu, sagte Kanzleramtsminister Helge Braun: "Es wird noch mal eine Herausforderung, die Corona-Fallzahlen niedrig zu halten."
Gesundheitsminister Jens Spahn bezeichnete die Anwendung als "große Erfolgsgeschichte" und wichtiges Instrument, um Infektionsketten zu unterbrechen: Rund 5000 Nutzer hätten ein positives Testergebnis in die App eingegeben. Das klinge erst einmal wenig, sagte Spahn. Es seien aber dadurch Tausende Menschen gewarnt worden. Insgesamt seien 1,2 Millionen Laborergebnisse in die App eingespeist worden.
Verhaltene Kritik
Der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Achim Kessler, kritisierte, das "Loblied auf die App" der Bundesregierung gehe an den Tatsachen vorbei: "Die Downloadzahlen allein sagen über den tatsächlichen Erfolg der App nichts aus." Das eigentliche Ziel, die Entlastung der Gesundheitsämter, habe sie verfehlt. "Sie leistet weder einen nennenswerten Beitrag zur Eindämmung, noch zur Aufklärung oder Erhellung des Infektionsgeschehens", sagte Kessler. Der FDP-Digitalpolitiker Manuel Höferlin kritisierte, dass die Anwendung nur Personen ab 17 Jahren offensteht. Er forderte eine Weiterentwicklung der Software.
Verhaltene Kritik an Funktionalität und Nutzung der Anwendung kommt aus der kleinsten Bundestagsfraktion: Der Grünen-Digitalexperte Dieter Janecek sagte der "Augsburger Allgemeinen", die App sei zwar ein "sinnvoller Baustein zur Eindämmung der Pandemie, aber nur herunterladen bringt nichts, wenn die App nicht auch genutzt wird." Zu wenige Corona-positiv getestete Menschen informierten ihre Kontaktpersonen mithilfe der Software. Zudem sei "noch Luft nach oben" in der Zuverlässigkeit: bei Android-Geräten gebe es technische Schwierigkeiten, bei iPhones Aussetzer.
18 Millionen Downloads
Die von Telekom und SAP im Auftrag der Bundesregierung entwickelte App wird laut Bund stärker genutzt als vergleichbare Anwendungen anderer europäischer Staaten: Bislang sei sie 18 Millionen Mal heruntergeladen worden und werde in den meisten Fällen auch aktiv genutzt. 400.000 Downloads habe es aus dem europäischen Ausland gegeben - etwa von Menschen, die nach Deutschland reisten oder für den kleinen Grenzverkehr.
Bis Oktober will die EU-Kommission ein sogenanntes europäisches Gateway an den Start bringen, das den Informationsaustausch zwischen Corona-Apps mit ähnlicher Funktionsweise ermöglichen soll. Laut Telekom-CEO Tim Höttges soll die App so mit elf EU-Ländern verknüpft werden, darunter Österreich, Tschechien, die Niederlande, Polen und Spanien. Die französische "StopCovid" beispielsweise, bei der Nutzerdaten zentral gespeichert werden, ist mit dem System nicht kompatibel.
Hoher Datenschutz
Die Corona-Warn-App funktioniert nämlich dezentral: Dabei werden alle Daten nur lokal auf den Smartphones der Nutzenden gespeichert. Datenschützer lobten diesen Ansatz. SAP-Technikchef Jürgen Müller forderte Smartphone-Besitzer, die die Anwendung bislang nicht heruntergeladen haben, dazu auf, dies nachzuholen: Selbst bei der Essensbestellung per Telefon, der Nutzung von Whatsapp oder bei Kartenzahlung gebe man mehr persönliche Daten preis. Besonders Android-Nutzer seien bislang unterrepräsentiert. In Deutschland gibt es laut Telekom-Chef Höttges etwa 50 Millionen Smartphones, die technisch mit der App kompatibel seien und deren Besitzer älter als 16 Jahre seien.
Leopoldina empfiehlt einheitliche Regeln
Die App ist ein Baustein der Strategie des Bundes für den Herbst mit Corona. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina riet Bund und Ländern, sich rasch auf einheitliche Regeln zu einigen. Diese müssten konsequenter als bisher umgesetzt werden, schrieben die Forscher in ihrer sechsten Ad-hoc-Stellungnahme zur Pandemie. Wichtig sei, die AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske) konsequent einzuhalten und Innenräume regelmäßig zu lüften. Tests müssten schnell und gezielt erfolgen. Die Isolation für nachweislich Erkrankte könne auf "etwa eine Woche", die Quarantäne für Kontaktpersonen und Reiserückkehrer aus Risikogebieten auf zehn Tage verkürzt werden. Die Leopoldina sieht viel Potenzial in einer möglichen Zulassung sogenannter Antigen-Schnelltests, die bereits nach 15 Minuten ein Ergebnis liefern sollen - und etwa für Besuche in Pflegeheimen genutzt werden könnten. Mit einem Impfstoff rechnen die Wissenschaftler "auch nach optimistischer Einschätzung" nicht vor dem Frühjahr.
ehl/rb (dpa, rtr, DW)