Berlin setzt auf "Willkommenskultur"
28. Mai 2013Wie können Migranten auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen? Wie können sie auch im öffentlichen Dienst besser vertreten sein? Das waren Fragen, mit denen sich die rund 120 Teilnehmer des Integrationsgipfels in Berlin beschäftigten. Unter ihnen waren neben Vertretern von Bund und Ländern, von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft auch 30 Vertreter von Migrantenorganisationen.
"Es geht um Partizipation und Teilhabe", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Abschluss der Veranstaltung. Deutschland müsse Migranten gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt einräumen. Dies gelte auch für den öffentlichen Dienst, der für Bürger mit Migrationshintergrund attraktiver werden müsse.
Merkel begrüßte die Zuwanderung von Fachkräften aus dem europäischen Ausland. Vor allem junge Arbeitslose aus den südeuropäischen Krisenstaaten sollten die Chance erhalten, in Deutschland Fuß zu fassen. Ihnen sollte vor allem mit einem breiteren Angebot an Sprachkursen geholfen werden. Wenn sich die Wirtschaftslage in ihren Herkunftsländern verbessere, sollte Deutschland ihnen aber auch bei der Rückkehr in die Heimat helfen.
Vielfalt als Standortfaktor
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), unterstrich, dass es in Deutschland einen Klimawandel gäbe hin zu einer echten Willkommenskultur. Die Bundesrepublik sei inzwischen ein Einwanderungsland, das auch für junge gut ausgebildete Fachkräfte attraktiv sei. "Es ist wichtig, dass Einwanderung und Integration Hand in Hand gehen", sagte Böhmer. Gerade im Wettbewerb mit anderen Ländern müsse sich Deutschland als Integrationsland verstehen. Dies hätten auch die Vertreter der Wirtschaft deutlich gemacht. Vielfalt sei für sie ein Standortfaktor und ein Motor für den Erfolg.
Diesen Gedanken griff auch der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Torsten Albig (SPD) auf. "Wir brauchen die Menschen mit internationalem Hintergrund, die zu uns kommen", betonte er. Vor allem in den Verwaltungen von Kommunen und Ländern müsse der Anteil der Zuwanderer von derzeit um die 8 Prozent deutlich erhöht werden. Albig kritisierte, dass Zuwanderer kein kommunales Wahlrecht haben.
Migranten als Arbeitnehmer und Unternehmer
Recep Keskin vom Verband der türkischen Unternehmer und Industriellen in Deutschland wies darauf hin, dass Migranten bereits jetzt eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben spielen. "Wir haben 700.000 Unternehmer mit ausländischer Herkunft", sagte er. "Sie setzen Milliarden um, sie investieren in Deutschland und sie beschäftigten mehr als 2,5 Millionen Menschen." Dabei spielten Kleinunternehmen wie Lebensmittelhändler oder Imbissbudenbesitzer inzwischen nur noch eine untergeordnete Rolle. Von größerer Bedeutung seien Unternehmer, die zahlreiche Angestellte hätten, darunter Bauunternehmer und Ingenieure, Maschinenbauer und IT-Ingenieure.
Viktor Ostrowski vom Verband russischsprachiger Eltern ergänzte, dass die meisten Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion in akademischen Berufen Fuß gefasst hätten. Seine Organisation helfe russischsprachigen Einwanderern schon seit Jahren, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Kritik am Integrationsgipfel
Scharfe Kritik am Integrationsgipfel übten Wohlfahrtsverbände und Opposition. Sie warfen der Bundesregierung vor, Schaufensterpolitik zu betreiben und keine konkreten Ergebnisse zu erzielen. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Aydan Özoguz, zweifelte gar am Sinn der Integrationsgipfel. "Wir brauchen mehr ambitioniertes Handeln statt immer neue Aktionspläne für Integration", sagte sie. Die Linken-Politikerin Katina Schubert erklärte, sie vermisse Fortschritte. Reine Show-Veranstaltungen brauche kein Mensch. Und die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, forderte, die Einbürgerung von Migranten zu erleichtern und den Optionszwang abzuschaffen. Nach dieser im Jahr 2000 eingeführten Regelung müssen sich in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres entscheiden, ob sie die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern oder die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen wollen.
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, bemängelte ebenfalls die Weigerung der CDU/CSU, die doppelte Staatsbürgerschaft zuzulassen. Dies sei das Gegenteil von Willkommenskultur, sagte er.
Auch Bundeswirtschaftsminister Philip Rösler (FDP) sprach sich für eine doppelte Staatsbürgerschaft aus. Dies wäre ein zusätzlicher Anreiz, um Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen. Rösler unterstrich, dass die Wirtschaft in Deutschland auf Zuwanderung von Fachkräften angewiesen sei. Er schlug vor, die Zuwanderung nach Deutschland über ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild zu steuern.