Als Zeuge unerwünscht
30. April 2014Die Bundesregierung lehnt eine Befragung des US-Geheimdienstenthüllers Edward Snowden durch den NSA-Untersuchungsausschuss laut Medienberichten ab. Das ist das Ergebnis eines Rechtsgutachtens, an dem das Innen- und Justizministerium sowie das Auswärtige Amt beteiligt waren, wie mehrere Medien am Mittwoch übereinstimmend berichteten. Der Ausschuss hatte die Bundesregierung bis zu diesem Freitag um eine Stellungnahme gebeten, ob und unter welchen Umständen eine Vernehmung des ehemaligen NSA-Mitarbeiters möglich wäre.
Gutachten: Gefährdung deutscher Interessen
Nach Informationen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" heißt es in dem 27-seitigen Papier, eine Einladung Snowdens würde die außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik erheblich gefährden. Nicht zuletzt weil "Snowden in den USA wegen Spionage und Diebstahls von Staatsgeheimnissen angeklagt ist, wäre im Falle einer Gewährung der Aufenthaltszusage sehr wahrscheinlich mit schweren und dauerhaften Belastungen des Verhältnisses zu den Vereinigten Staaten von Amerika zu rechnen", zitierten die Medien aus dem Gutachten der Bundesregierung.
Bei einer Vernehmung Snowdens hierzulande bestehe zudem die Gefahr, dass Washington die nachrichtendienstliche Kooperation mit Deutschland "zumindest vorübergehend einschränkt". Vor diesem Hintergrund müsse das Interesse des Untersuchungsausschusses, Snowden in Deutschland zu befragen, hinter das Staatswohl zurücktreten.
Grüne wollen vor Verfassungsgericht ziehen
Das Innenministerium, das mit Unterstützung anderer Ressorts für die Stellungnahme zuständig ist, erklärte, die Meinungsbildung innerhalb der Regierung sei noch nicht abgeschlossen und der Bericht noch nicht an den Ausschuss zugestellt.
Die Stellungnahme der Regierung soll dem Bundestags-Untersuchungsausschuss offiziell erst am Freitag übergeben werden. "Es ist eine deutliche Missachtung des Parlaments, dass dieses Gutachten an die Öffentlichkeit gelangt, noch bevor es die Mitglieder des Untersuchungsausschusses in den Händen halten", sagte Ausschussmitglied Hans-Christian Ströbele von den Grünen in Berlin. Mit Blick auf das Treffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit US-Präsident Barack Obama am Freitag sagte Ströbele, die Kanzlerin habe sich "eine Art Persilschein ausgestellt, um sich bei Obama nicht unbeliebt zu machen". Ströbele kündigte an, in der nächsten Ausschusssitzung am 8. Mai den Antrag auf eine Snowden-Vernehmung in Berlin zur Abstimmung zu stellen. Danach sei die Regierung gefordert, dies möglich zu machen. "Wenn sich die Bundesregierung verweigert, wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden müssen."
Video-Befragung möglich
Der NSA-Untersuchungsaussschuss des Bundestags hatte die Regierung zu der rechtlichen Prüfung aufgefordert. Linke und Grüne in dem Gremium hatten sich dafür ausgesprochen, Snowden vor dem Ausschuss anzuhören. Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter befindet sich seit August 2013 in Russland. Ströbele kündigte an, die Grünen würden in der Sitzung des Untersuchungsausschusses in der kommenden Woche die Ladung von Snowdens als Zeugen beantragen.
Der Vorsitzender des Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg (CDU), sagte, ihm liege das Gutachten noch nicht vor. Er betonte aber: "Wenn die Regierung tatsächlich zu dem Schluss kommt, dass eine Befragung in Deutschland nicht möglich ist, dann ist das Thema Snowden für mich noch nicht erledigt." In dem Fall sei eine Anhörung per Video vorstellbar - und je nach deren Verlauf - auch eine spätere Vernehmung Snowdens in Russland. Sensburg betonte aber, über das weitere Vorgehen werde erst entschieden, sobald der Regierungsbericht vorliege. Der CDU-Politiker versprach, das Gutachten direkt am Freitag an die Obleute des Ausschusses weiterzuleiten.
Der Untersuchungsausschuss soll die von Snowden ins Rollen gebrachte Affäre über das massenhafte Abgreifen der Internet- und Telefonkommunikation deutscher Bürger durch die National Security Agency (NSA) der USA und ausländische Geheimdienste untersuchen.
cr / uh (dpa, afp, rtr)