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Wie groß ist die Gefahr in Tunesien?

10. Juli 2015

Briten und Dänen sollen das Touristengebiet verlassen, aus Furcht vor neuen Terroranschlägen. Gastland Tunesien ist verstimmt. Und Deutschland zögert.

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In Tunesien sichern Spezialkräfte den Strand (foto: reuters)
Bild: Reuters/Z. Bensemra

Großbritannien lässt seine Urlauber aus Tunesien heimfliegen, Dänemark schloss sich am Freitag an und rief seine Landsleute auf, wegen des "hohen Risikos" neuer terroristischer Angriffe auszureisen. Frankreich und Deutschland reagierten zurückhaltend und wollen zunächst die jüngste Entwicklung verfolgen. Sie erteilten keine neuen Reisewarnungen.

Etwa 10.000 deutsche Touristen?

"Zur Zeit gibt es keine Reisewarnung, aber sehr ernstzunehmende Reise- und Sicherheitshinweise, die insbesondere den Hinweis enthalten, sich aktuell informiert zu halten", erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Nach seiner Schätzung machen derzeit "eine hohe vierstellige oder niedrige fünfstellige Zahl" an deutschen Touristen in Tunesien Urlaub.

Großbritannien war vorgeprescht und hatte tags zuvor eine Reisewarnung ausgesprochen. Rund 3000 Briten wurden zur Ausreise aufgefordert, die Reiseveranstalter arbeiten mit Hochdruck daran. Ein weiterer terroristischer Anschlag gegen Briten sei "hochwahrscheinlich", sagte Außenminister Philip Hammond.

Vor zwei Wochen waren bei einem islamistisch motivierten Terroranschlag nahe der Touristenhochburg Sousse 38 Menschen getötet worden, darunter 30 Briten. In der tunesischen Provinz Gafsa wurden am Freitag bei Zusammenstößen von Sicherheitskräften und Extremisten fünf Menschen erschossen, wie das tunesische Innenministerium mitteilte. Nach Informationen des Radiosenders Mosaique FM handelt es sich bei den Opfern um Extremisten.

Viele Terror-Rekruten

Nach Angaben des Innenministeriums in Tunis hat die Polizei seit der Attacke von Sousse am 26. Juni rund 8000 Operationen gegen Extremisten gestartet. 15.000 junge Tunesier seien an der Ausreise gehindert worden, weil sie verdächtigt wurden, sich an bewaffneten Konflikten beteiligen zu wollen.

Aus kaum einem anderen Land weltweit schließen sich so viele Kämpfer extremistischen Gruppen im Ausland an wie aus Tunesien. Allein im Bürgerkriegsland Syrien seien rund 4000 Tunesier im Einsatz, erklärte die UN-Menschenrechtsexpertin Elzbieta Karska am Freitag. In Libyen liegt die Zahl demnach bei 1000 bis 1500 Kämpfern. Die Angaben stützen sich auf Recherchen von UN-Experten Anfang des Monats in Tunesien.

Tunesier enttäuscht - Desaster für Tourismus

Der tunesische Außenminister Taieb Baccouche kündigte an, Tunis werde versuchen, London "nach und nach" von einer Rücknahme der Reisewarnung zu überzeugen. Ministerpräsident Habib Essid sagte vor dem Parlament, er werde Premierminister David Cameron anrufen, "um ihm zu sagen, dass wir alles getan haben, um die britischen Interessen und die anderer Länder zu schützen".

In Tunesien Sicherheitskräfte zwischen Touristen am Strand (foto: dpa/EPA)
Spezialkräfte patrouillieren am Strand zwischen den Urlaubern - einer wichtigen Einnahmequelle für das Maghreb-LandBild: picture-alliance/dpa/M. Messara

Tunesiens Botschafter in Großbritannien, Nabil Ammar, verurteilte die Reisewarnung. "Das ist das, was Terroristen wollen", klagte er. Hotels müssten schließen, Menschen würden arbeitslos. "Hoffnungslosigkeit ist eine Quelle von Terrorismus", sagte der Diplomat.

Das deutsche Auswärtige Amt hat bislang keine generelle Reisewarnung für Tunesien herausgegeben, rät aber von Reisen in bestimmte Landesteile ab. Dazu gehört beispielsweise die Gebirgsregion nahe der algerischen Grenze. Im Westen des Landes sei jenseits der Hauptverkehrsrouten generell besondere Vorsicht anzuraten, heißt es. Das Amt rät auch von Touren oder organisierten Fahrten in den Süden und insbesondere die Wüstenregionen ab, wegen des bestehenden Risikos von Entführungen.

SC/sti (afp, dpa, rtr)