Konjunkturerholung trotz Corona
13. November 2020Die Konjunktur werde durch die Einschränkung vor allem der Konsummöglichkeiten einen Dämpfer erleiden, heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Monatsbericht des Wirtschaftsministeriums. "Solange die zusätzlichen Maßnahmen begrenzt bleiben können, spricht aber wenig dafür, dass der Aufholprozess im vierten Quartal insgesamt abbricht." Dieser habe sich bis in den Oktober hinein fortgesetzt, auch wenn er sich angesichts des wieder aufgeflammten Pandemiegeschehens im In- und Ausland verlangsamt habe.
Dax-Konzerne gut gerüstet
Passend dazu haben Deutschlands Börsenschwergewichte im dritten Quartal einen Teil des coronabedingten Einbruchs vom Frühjahr wettgemacht. Die meisten der 30 Dax-Konzerne zeigten "klare Erholungstendenzen", sagte Hubert Barth, Vorsitzender der EY-Geschäftsführung Deutschland, am Freitag. Der Gesamtumsatz der Top-Konzerne stieg gegenüber dem zweiten Quartal - dem Höhepunkt der Corona-Krise - um 16 Prozent auf rund 330 Milliarden Euro, wie aus einer Auswertung des Prüfungs- und Beratungsunternehmens hervorgeht. Es war der höchste Wert in einem dritten Quartal.
Insgesamt sieht EY die Top-Konzerne angesichts gut gefüllter Kassen gerüstet für ein möglicherweise schwieriges Jahresende. Demnach verfügten die Unternehmen Ende des dritten Quartals insgesamt über gut 140 Milliarden Euro an liquiden Mitteln. Die Ausstattung mit Liquidität sei nach wie vor komfortabel.
Die Auswirkungen der Krise auf die Beschäftigung halten sich EY zufolge unter dem Strich bislang in Grenzen. Weltweit beschäftigten die Dax-Konzerne zum Ende des dritten Quartals insgesamt 3,2 Millionen Menschen - gerade einmal 0,04 Prozent weniger als ein Jahr
Containerschifffahrt erholt sich
Auch die durch China angetriebene Erholung der Containerschifffahrt werde sich in den nächsten Monaten fortsetzen, erwartet Deutschlands größte Reederei Hapag-Lloyd. Das Transportvolumen sei im dritten Quartal schneller und stärker zurückgekommen als erwartet und werde voraussichtlich auch im letzten Vierteljahr stark bleiben, sagte Konzernchef Rolf Habben Jansen am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Der Export aus China werde insbesondere durch die Nachfrage aus den USA, aber auch aus Europa und Lateinamerika angekurbelt. Noch sei aber nicht abzusehen, wie sich die zweite Welle der Pandemie auswirken werde.
Im Moment sei die Nachfrage nach Transportleistung hoch und die Kapazitäten knapp. Das werde vermutlich eine Zeit lang so bleiben, sagte Habben Jansen. Danach sei eine Abschwächung wahrscheinlich. "Wenn wir in 2021 oder 2022 blicken, würde ich schon erwarten, dass wir irgendwann nochmal eine Periode kriegen, wo es einen Tick schwächer ist." Die Frage sei nur, wie tief die Delle dann ausfalle.
Flugbetrieb bricht weiter ein
Mit Beginn des Teil-Lockdowns weiter eingebrochen ist derFlugbetrieb an deutschen Airports ist. Die Zahl der Passagiere lag in der ersten Novemberwoche 88 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres, wie der Branchenverband ADV mitteilte. Alle Verkehrskennzahlen seien rückläufig, betonte ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel. "Das betrifft die Sitzplatzangebote, die Auslastung in den wenigen noch fliegenden Flugzeugen sowie die Luftverkehrsnachfrage und Buchungszahlen insgesamt." Vor allem der Winter werde zum Belastungstest. Bund und Länder wollen kommende Woche über Finanzhilfen für die Flughäfen von rund einer Milliarde Euro beraten.
Reiseanbieter TUI hofft auf Impfstoff
Der Chef des durch die Corona-Pandemie schwer angeschlagenen Reiseanbieters TUI, Friedrich Joussen, rechnet mit einer baldigen Normalisierung des Geschäfts durch einen Impfstoff. "Wenn die Impfung wirklich erfolgreich ist und ausreichend Dosen zur Verfügung stehen, wird vieles wieder zur Normalität zurückkehren: Kultur, Sport und auch das Reisen", sagte Joussen gegenüber dem Spiegel laut Vorabmeldung vom Freitag.
"Aber die Impfungen werden dauern", sagte der TUI-Chef. Deshalb sei es wichtig, dass bald Schnelltests in ausreichender Zahl zur Verfügung stünden.
2021 werde für TUI ein Übergangsjahr sein, für 2022 gehe das Unternehmen von einer Nachfrage auf Vorkrisenniveau aus, führte Joussen aus. Bis dahin schließt er weitere Staatshilfen für den von der Corona-Krise schwer getroffenen Touristikkonzern nicht aus. "Im Moment können und dürfen wir keine Option ausschließen, auch nicht, dass wir zusätzliche Kredite benötigen. Genauso wenig können wir ausschließen, dass wir zu einem geeigneten Zeitpunkt neues Eigenkapital aufnehmen oder Teile des Unternehmens veräußern."
Rekordwachstum im Sommer
Die deutsche Wirtschaft hatte sich im Sommerquartal insgesamt mit einem Rekordwachstum von 8,2 Prozent aus der Corona-Rezession befreit, nachdem sie im Frühjahr mit 9,8 Prozent so stark eingebrochen war wie noch nie. Für das laufende Schlussquartal rechnen einige Experten damit, dass das Bruttoinlandsprodukt erneut sinken könnte - wenn auch nur leicht. Im November müssen beispielsweise Restaurants sowie Kinos und Theater geschlossen bleiben. Unklar ist, ob die Beschränkungen der sozialen Kontakte verlängert werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel berät am Montag mit den Ministerpräsidenten über das weitere Vorgehen.
Die Neuinfektionen mit dem Coronavirus in Deutschland haben zuletzt ein Rekordhoch erreicht. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Freitag 23.542 nachgewiesene Ansteckungen binnen 24 Stunden.
ul/hb (dpa, rtr, afp)