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Politik

Merkel lehnt Beschluss zum Doppelpass ab

7. Dezember 2016

Die CDU verschärft ihre Flüchtlings- und Ausländerpolitik und rückt immer weiter ab vom bisherigen Kurs von Kanzlerin Merkel. Bei der Staatsbürgerschaft droht ein Dauerkonflikt. Wohl zur Freude der Rechtspopulisten.

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Essen CDU-Bundesparteitag Rede Merkel
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Die Korrespondenten der Deutschen Presse-Agentur sprechen von einer "riskanten Grätsche", andere von einem "Eklat", Insider sagen einen brisanten Konflikt der Bundeskanzlerin mit dem konservativen Flügel ihrer CDU und der CSU voraus. Angela Merkel hat "Nein" gesagt zum knappen Beschluss des Essener Parteitags, den Kompromiss mit dem Koalitionspartner SPD bei der doppelten Staatsbürgerschaft aufzukündigen. 

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer rechnet mit einer monatelangen Debatte über den Doppelpass. Das Thema habe die Partei schon lange beschäftigt. Aus einigen Bundesländern sei durchaus Widerspruch zu erwarten, sagte das Präsidiumsmitglied in einem Interview der "Deutschen Welle".       

Die Junge Union will den von ihr durchgesetzten Parteitagsbeschluss nicht als Affront gegen die CDU-Chefin verstehen. "Ich wehre mich dagegen, dass das als Angriff auf Angela Merkel interpretiert wird", sagte der Vorsitzende des Unions-Nachwuchses, Paul Ziemiak, der Boulevard-Zeitung "Bild". CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer stellte sich hingegen noch einmal demonstrativ hinter das Doppelpass-Votum. "Es ist eine gute Entscheidung des CDU-Parteitags, die Optionspflicht im Staatsbürgerschaftsrecht wieder einführen zu wollen. Es ist richtig, im Wahljahr das Profil zu schärfen", so Scheuer in München. 

Schon Wahlkampf 

Deutschland Sigmar Gabriel
Sah eine gute Gelegenheit, sich von der Kanzlerin abzugrenzen: SPD-Chef GabrielBild: picture alliance/NurPhoto/P. Tzamaros

Die Sozialdemokraten hatten sich umgehend über den "schlimmen Beschluss" empört. Parteichef Sigmar Gabriel und Justizminister Heiko Maas betonten, eine Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft sei mit ihrer Partei nicht zu machen. Die einzige Partei, mit der die CDU dies umsetzen könne, sei die rechtspopulistische AfD, sagte Maas. Merkel könne nicht knapp eine Million Flüchtlinge einladen "und sich dafür bejubeln lassen", dann aber die hier geborenen Kinder schlecht behandeln, spottete Gabriel.  

Merkel setzt sich über Parteitag hinweg 

Und die CDU-Vorsitzende beeilte sich zu versichern, dass für sie weiterhin der Koalitionsvertrag gelte. Merkel nutzte für ihre Absage an den Parteitagsbeschluss nicht ihr Schlusswort vor den Delegierten, sondern spätere Fernsehinterviews. "Es wird in dieser Legislaturperiode keine Änderung geben", meinte sie trocken. "Am Regierungshandeln wird sich jetzt nichts ändern", so die Kanzlerin im Ersten Deutschen Fernsehen. Sie halte den Beschluss persönlich für falsch und sie "glaube auch nicht, dass wir einen Wahlkampf über den Doppelpass machen, wie wir das früher mal gemacht haben."

Die Delegierten hatten zuvor nach heftiger Debatte mit knapper Mehrheit für den Antrag gestimmt, die sogenannte Optionspflicht für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern wieder einzuführen. 319 Delegierte stimmten dafür, 300 dagegen. Dabei geht es hauptsächlich um Kinder türkischer Eltern.

Merkel wehrte sich in Interviews gegen den Eindruck, die CDU habe beim Parteitag einen Rechtsschwenk vollzogen. Sie widersprach auch der Einschätzung, das im Leitantrag aufgeführte Burka-Verbot sei eine gesetzliche Verschärfung.

Ihr vergleichsweise mageres Ergebnis bei ihrer Wiederwahl am Dienstag nannte Merkel einen "großen Vertrauensbeweis". Nach den "turbulenten Monaten" sei sie über das Resultat von 89,5 Prozent "eher angenehm überrascht" gewesen, sagte die Kanzlerin, ohne den Streit über die Flüchtlingspolitik direkt anzusprechen. Die CDU-Chefin hatte ihr zweitschlechtestes Ergebnis in fast 17 Jahren als Parteichefin und das schlechteste Ergebnis ihrer Kanzlerschaft erzielt.

SC/rb (afp, dpa, ARD)