Bleiberecht neu geregelt
28. März 2007Mit der Regelung werden elf EU-Richtlinien in deutsches Recht umgesetzt. Das teilte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Anschluss an die Kabinettssitzung am Mittwoch (28.3.06) in Berlin mit. Zu den Änderungen zählt unter anderem das Bleiberecht für langjährig geduldete Flüchtlinge, auf das sich die große Koalition nach monatelangem Streit vor gut zwei Wochen geeinigt hatte.
Zu weiteren Änderungen zählt eine Heraufsetzung des Alters von Ehepartnern beim Familiennachzug auf 18 Jahre und der Nachweis einfacher Deutschkenntnisse vor der Einreise. Das gilt auch für Ehepartner deutscher Staatsangehöriger, wenn sie aus Nicht-EU-Ländern stammen. Die Hürden für die Einbürgerung jüngerer Migranten werden heraufgesetzt. Zudem sind schärfere Sanktionen vorgesehen, wenn ein Ausländer nicht an verpflichtenden Integrationskursen teilnimmt.
CDU und SPD begrüßen Änderungen grundsätzlich
Politiker von CDU und SPD begrüßten die Reform: Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), bezeichnete es im RBB-Inforadio als "höchst vernünftig und human, dass langjährig Geduldete nicht von Sozialtransfers leben müssen, sondern arbeiten dürfen".
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), und der zuständige Berichterstatter Reinhard Grindel (CDU) nannten den Gesetzentwurf einen "Paradigmenwechsel in der Integrationspolitik". "Die Pflicht für Ehegatten, schon vor dem Familiennachzug einfache Deutschkenntnisse nachweisen zu müssen, ist ein klares Signal an alle Ausländer, dass es ohne Sprachkenntnisse nicht geht", erklärten beide in Berlin.
Schäuble ruft zu Toleranz auf
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble rief die Deutschen auf, "den zu uns kommenden Menschen offen und tolerant gegenüberzutreten". Gleichzeitig muss nach Ansicht des CDU-Politikers der "Missbrauch unseres Aufenthaltsrechts" vermieden werden, wenn "wir die Toleranz und Offenheit unserer Gesellschaft erhalten wollen", schreibt Schäuble in der ZEIT.
Schäuble räumt ein, dass es bei der Regelung des Problems von 171.000 geduldeten Ausländern in Deutschland nicht darum gegangen sei, "wie viele geduldete Ausländer wirklich in Deutschland bleiben". Die Aufgabe sei vielmehr gewesen, "wie man möglichst viele von ihnen in Arbeit bringen kann, damit sie nicht weiterhin die sozialen Systeme belasten".
Opposition und Hilfsorganisationen kritisieren Reform
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sprach von "einem inhumanen und integrationsfeindlichen Entwurf zum Ausländer- und Asylrecht". Auch nach Ansicht des FDP-Innenexperten Hartfrid Wolff lässt sich mit der Reform weder die Zuwanderung besser steuern noch die Integration verbessern.
Das Deutsche Rote Kreuz sieht Nachbesserungsbedarf für Folteropfer, Schwerkranke, Behinderte und Menschen, die ohne eigenes Verschulden nicht beruflich integriert werden können. Sie alle müssten von den künftig verschärften Bleiberechtsregelungen ausgenommen werden. Das "Forum Menschenrechte" warf der Bundesregierung vor, mit dem Beschluss Menschenrechtsstandards zu unterschreiten.
Von Organisationen wie Pro Asyl wird zwar begrüßt, dass überhaupt eine Einigung zustande kam. Doch bei dem Bleiberecht handelt es sich um eine Stichtagsregelung. Wer den geforderten Aufenthalt von sechs Jahren für Familien und acht Jahren für Alleinstehende nicht erfüllt, muss weiterhin alle drei Monate die Duldung erneuern. "Das Problem der Kettenduldungen ist nicht gelöst", sagt Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt.
Integrationsgipfel in Frage gestellt
Kritisiert wird auch die geplante Pflicht für einreisende Ehepartner, zu Hause bereits Deutsch zu lernen. Diese Regelung rief Verbände und Organisationen auf den Plan, die am jährlichen Integrationsgipfel der Bundesregierung teilnehmen. Der Sinn des Gipfels sei durch die geplanten Verschärfungen in Frage gestellt, befinden sie in einem offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Deutschkenntnisse zur Voraussetzung des Familiennachzugs zu machen, sei klar verfassungswidrig.
Einer der Unterzeichner des Briefes, der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, sieht die Regierung die "Keule der Strafandrohung" schwingen. Künftig sollen Geldbußen und in extremen Fällen sogar Ausweisung möglich sein, wenn Ausländer ihrer Teilnahmepflicht an Integrationskursen nicht nachkommen. Ausgewiesen werden soll auch, wer die Integration seiner Familie "schwerwiegend" behindere. (tos)