Bulgarische Nationalisten am Regierungstisch
4. Mai 2017Bulgarien bekommt eine neue Regierung, die alle Chancen hat, ihr volles Mandat zu auszufüllen und stabil auf einem euro-atlantischen Kurs zu bleiben. Der neue und alte Regierungschef Boiko Borissow, der schon zweimal Premier war, ist unter den wenigen mittel- und osteuropäischen Ministerpräsidenten in der EU, die sich widerspruchslos an eine gemeinsame EU-Politik halten. Seine Mitte-Rechts-Partei GERB ist Mitglied der Europäischen Volkspartei und Borissow selbst ist für seine Sympathie, ja fast schon Verehrung, für die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und für den EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bekannt. Gleichzeitig aber sitzen in dieser Regierung zum ersten Mal Nationalisten mit am Tisch, drei Parteien aus dem Bündnis der "Vereinten Patrioten" (VP).
Drei am rechten Rand
Von "Ataka", eine der Parteien im Bündnis, wird immer wieder behauptet, direkt aus Russland finanziert zu werden. Und ihr Vorsitzender Wollen Siderow, der keinen Regierungsposten bekommt, ist als Anti-Semit und notorischer Polit-Rabauke bekannt, der mit seinen Trupps Moscheen angreift und auf Jagd nach "Zigeunerverbrechern" geht.
Moskaufreundlich ist auch Krassimir Karakatschanow, der neue Verteidigungsminister und Chef der zweiten Partei im nationalistischen Bündnis, VMRO. Karakatschanow, der auch Vizepremier ist, war Mitarbeiter der kommunistischen Geheimdienste vor der Wende in Bulgarien. Seine aktuellen Lippenbekenntnisse zur Nato werten viele Beobachter eher als Opportunismus - weniger, weil er überzeugt von ihr ist.
Der dritte im Bunde der Nationalisten ist der neue Vizepremier ohne Ressort: Waleri Simeonow ist von der Nationalen Front zur Rettung Bulgariens. Und er ist für seine rassistischen Ausrutscher gegen Roma berüchtigt. Alle drei hetzen schon seit Jahren gegen Roma, Flüchtlinge und Migranten und unterstützen den Ausbau eines Zaunes an der Grenze zur Türkei. Das kommt bei Teilen der bulgarischen Bevölkerung sehr gut an. Denn in Bulgarien ist die Angst weit verbreitet, Erdogan könne "die Schleusen aufmachen und Bulgarien mit Flüchtlingen überfluten". Alle drei nationalistische Parteien pflegen eine antitürkische Rhetorik, greifen verbal die türkische Minderheit in Bulgarien an. Sie sind der Ansicht, Bulgarien sollte Vorbedingungen stellen, wenn es um die Aufnahme der Westbalkanstaaten Mazedonien und Serbien in der EU geht. Gemeint damit sind die Streitereien um die gemeinsame Geschichte mit den beiden Nachbarländern, um die jeweiligen Minderheiten und subtil auch über den Grenzverlauf.
Wichtige Reformen weiterhin fraglich
Das Thema EU ist ein Schwerpunkt für die neue Regierung in Sofia. Denn ab dem 1. Januar 2018 übernimmt das Land den EU-Vorsitz und wird somit maßgeblich nicht nur an den Erweiterungsgesprächen, sondern auch an den Brexit-Verhandlungen beteiligt sein. Zu diesem Zweck hat Borissow sogar ein neues Ministerium ins Leben gerufen und seine Vertraute Liliana Pawlowa als Ministerin für den EU-Vorsitz ernannt. An ihrer Seite wird eine weitere Vertraute des Premiers stehen - die Außenministerin und Vizeregierungschefin Ekaterina Zachariewa, die auch für die Justizreform zuständig sein wird.
Gerade die Justizreform ist schon seit Jahren die Achillesferse der bulgarischen Politik. Das Land gilt als das korrupteste in der EU. Die Kommission in Brüssel sieht das Hauptproblem in der Funktionsunfähigkeit der bulgarischen Justiz. Dies wird immer wieder in diplomatischer Sprache in den jährlichen Monitoring-Berichten der Kommission bestätigt. Beobachter in Sofia sind allerdings skeptisch, dass die Justizreform wirklich in Fahrt kommen könnte: Zu eng und zu undurchsichtig sind die Verstrickungen zwischen Politik, Justiz und den Oligarchen im Lande. Skepsis ist auch angesagt, was Bulgariens Rolle beim EU-Vorsitz anbetrifft. Denn bislang hat das Land weder klare politische Positionen in Sachen Brexit oder EU-Erweiterung auf den Tisch gelegt, noch die notwendigen Strukturen für einen erfolgreichen Vorsitz geschaffen.
Eine Bühne für die Profilierung
Die neue Regierung wird vermutlich eher eine Borissow-One-Man-Show sein – sowohl in der Außen-, als auch in der Innenpolitik. Es ist davon auszugehen, dass der Premier die Gelegenheit ausnutzen könnte, sich als wichtiger europäischer Politiker profilieren zu wollen. Er hat mehrfach angedeutet, dass Bulgarien eine Schlüsselrolle in den angespannten Beziehungen der EU sowohl mit der Türkei, als auch mit Russland spielen könne. Und seine Unterstützung für eine gemeinsame Flüchtlingspolitik der EU macht ihn für Brüssel unverzichtbar.
Aber auch mit dem neuen Kabinett Borissow bleibt in Bulgarien fast alles beim Alten. Der Premier hat mehrheitlich seine alten Minister in die neue Regierung geholt, finanziell steht das Land mit einem Etat-Überschuss von über eine Milliarde Euro gut da. Beobachter gehen davon aus, dass das Wahlversprechen zu möglichen Einkommenserhöhungen werden zumindest teilweise erfüllt werden. Es wird aber auch weiterhin dramatisch an Geld fehlen, um die zwei für Bulgarien wohl wichtigsten Bereiche auf ein europäisches Niveau zu hieven: das Gesundheits- und das Bildungswesen. Trotz ihrer Lautstärke wird Premier Borissow die Nationalisten sehr wahrscheinlich zähmen können - und diesmal bis zum Ende der Legislaturperiode durchregieren..