Budapester Regierung in der Zwickmühle
29. August 2002Budapest, 28.8.2002, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch, Bettina Nemes
Aus der langfristigen Wirtschaftsstrategie des Medgyessy-Kabinetts lässt sich ablesen, dass die Regierung bei den behördlich beeinflussbaren Preisen im kommenden Jahr Teuerungen über dem Inflationsniveau billigen wird. Diese betreffen vor allem die Preise für Energie und die öffentlichen Verkehrsmittel. Für den EU-Beitritt des Landes ist es unbedingt notwendig, die Preise an internationale Standards anzugleichen, gleichzeitig muss aber auch die Inflationsrate gedrosselt werden. Die Regierung befindet sich also in der Zwickmühle.
Die wirtschaftlich notwendigen Preisanhebungen jedoch bieten eine breite Angriffsfläche für die Opposition. Noch ist allerdings nichts Konkretes bekannt und alle Mitglieder der Regierung vermeiden, etwas Genaueres über die bevorstehenden Preiserhöhungen verlauten zu lassen. Marktanalysten legen allerdings eine durchschnittliche Verteuerung in diesem Bereich von sieben Prozent zugrunde. Selbst in dem der Europäischen Union zugesandten Entwurf über die neue Wirtschaftsstrategie des Landes ist kaum die Rede von der künftigen Gestaltung der behördlichen Preise. Dem Entwurf ist lediglich zu entnehmen, dass diese Gebühren bis zum EU-Beitritt des Landes in immer geringerem Umfang ansteigen werden und im Augenblick des Beitritts nicht etwa mit drastischen Verteuerungen zu rechnen sei, wie dies früher immer behauptet wurde.
"Im Finanzministerium werden jetzt Berechnungen zur Anhebung der behördlichen Preise in den Bereichen Energie und Wasser, Verkehr und den Monopolsteuern erstellt", führte Daniel Mate, Sprecher des Finanzministeriums, aus. Das Inflationsziel für 2003 lautet 5,5 Prozent, zudem sei voraussichtlich mit einer Erhöhung der Marktpreise um vier Prozent zu rechnen. Deshalb sei eine Anhebung der behördlichen Preise um mindestens sieben Prozent auch seiner Meinung nach ziemlich wahrscheinlich.
Mate betonte jedoch, dass die mittelfristige Wirtschaftsstrategie der Regierung den Preiserhöhungen Schranken setzt, denn die Regierung hält trotz der wirtschaftlichen Notwendigkeit der Preisanhebung immer noch die Drosselung der Inflationsrate für das primäre Ziel. Sollte sich deshalb Ende des Jahres herausstellen, dass die Marktpreise im kommenden Jahr in größerem Umfang als geplant steigen, zum Beispiel infolge des rasanten Anstiegs der Ölpreise, so müsse der behördliche Preisanstieg wesentlich zurückhaltender ausfallen.
Die Regierung ist allerdings auch der Meinung, dass in einer Marktwirtschaft die behördlichen Preise die für die Bereitstellung nötigen Aufwendungen wiederspiegeln. Das bedeutet, dass die Regierung die Subventionen für einige Unternehmen, die derzeit mit Verlusten arbeiten, etwa die Staatsbahn MAV, die Ungarischen Elektrizitätswerke (MVM) und die Mol-Gassparte, allmählich einschränken wird. Gerade dadurch würden die Teuerungen notwendig. (...) (ykk)