Italien kommt um Defizitverfahren herum
3. Juli 2019Noch am Montag hatte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger der Regierung in Rom mit einer möglichen Geldbuße in Milliardenhöhe gedroht, falls sie keine deutlichen Sparmaßnahmen ankündigt. Nun muss er seine Drohung nicht wahr machen. Ein Defizitverfahren konnte kurzfristig doch abgewendet werden, der Konflikt mit Brüssel scheint vorerst beigelegt.
Nach Zusagen Roms zur Verringerung der italienischen Neuverschuldung sei ein Verfahren "zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gerechtfertigt", erklärte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici in Brüssel. Die EU-Kommission werde die Umsetzung der Haushaltszusagen Roms aber weiter "sehr genau überwachen".
Neuberechnungen zur Verschuldung
Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conti hatte am Dienstagabend in Brüssel erklärt, Rom sei "im Einklang mit den eigenen Prognosen". Das italienische Haushaltsdefizit werde in diesem Jahr 2,04 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten.
Im Rahmen einer Kabinettssitzung zum Haushalt am Montag in Rom seien Neuberechnungen veröffentlicht worden. Demnach falle das Defizit 2019 wegen zusätzlicher Einnahmen in Höhe von rund sehs Milliarden Euro niedriger aus als erwartet.
Sorgenkind Italien
Italiens Schuldenquote - das ist das Verhältnis der gesamten Staatsschulden zur Wirtschaftskraft - betrug 2018 nach nun bestätigten Zahlen mehr als 132 Prozent, wie die EU-Kommission Anfang Juni mitgeteilt hatte. Erlaubt sind nach den Spielregeln für das Eurosystem eigentlich nur 60 Prozent, eine Marke, die Italien seit dem Euro-Start 1999 deutlich überschreitet. In der EU hat lediglich Griechenland - gemessen am Bruttoinlandsprodukt - einen höheren Schuldenstand. In absoluten Zahlen beträgt die Schuldenlast im ungleich größeren Italien aber deutlich mehr: aktuell etwa 2,3 Billionen Euro, mehr als sieben mal so viel wie in Griechenland. Auf jeden Einwohner heruntergebrochen ergebe sich in Italien eine Schuldenlast von etwa 38 000 Euro, hinzu kämen rund 1000 Euro an Schuldenleistungen, hatte EU-Finanzkommissar Valdis Dombrovskis seinerzeit vorgerechnet. "Italien zahlt heute für seinen Schuldendienst so viel wie für sein ganzes Bildungssystem."
Die EU-Kommission hatte Anfang Juni den Weg für ein Defizitverfahren geebnet. Ohne Einigung hätte Italien am Ende des Verfahrens eine Geldbuße von 3,5 Milliarden Euro zahlen müssen.
djo/rb (afp, rtr)