Brüssel plant Steueroffensive
12. April 2016Das tut weh! 50 bis 70 Milliarden Euro schleusen internationale Unternehmen an europäischen Steuerbehörden vorbei - meistens sogar auf legalen Wegen. So hat es die EU-Kommission berechnet. Das ist möglich, weil multinationale Konzerne eine ganze Reihe von Tricks anwenden können, um ihre Steuern kleinzurechnen. Das soll nun transparenter werden. Alle in Europa tätigen multinationalen Unternehmen sollen künftig Steuerzahlungen und Gewinne nach Ländern aufschlüsseln und veröffentlichen, wie EU-Finanzkommissar Jonathan Hill in Straßburg ankündigte.
Die EU-Kommission hatte bereits Anfang des Jahres ein umfassendes Gesetzespaket dazu vorgestellt. Unter anderem sollen Konzerne Gewinne dort versteuern, wo sie erwirtschaftet werden. Die Brüsseler Behörde schlägt nun vor, dass Unternehmen, die in der EU aktiv sind und einen Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro aufweisen, ihre Steuerzahlungen nicht nur den Behörden, sondern auch der breiten Öffentlichkeit im Internet zugänglich machen.
Die ursprünglichen Pläne der Kommission sahen nach Medienberichten vor, die Publikationspflicht zunächst nur für Geschäfte in EU-Staaten einzuführen. Nun sollen sie auch für Firmentätigkeiten in Steuerparadiesen gelten, die in einer schwarzen Liste erfasst werden sollen. Die Länder und Gebiete, die auf dieser Liste stehen, sollen im kommenden halben Jahr erarbeitet werden. "Die Panama Papers haben unsere Herangehensweise nicht verändert", so Hill. "Sie haben aber unsere Entschlossenheit gestärkt, dass Steuern dort gezahlt werden sollen, wo die Gewinne anfallen."
Konkret sollen die Konzerne in einzelnen Ländern unter anderem die Zahl ihrer Mitarbeiter, ihre Einnahmen vor Steuern und ihre gezahlten Abgaben auf ihren jeweiligen Firmen-Internetseiten veröffentlichen. In Deutschland wären rund 1200 Firmen betroffen. Insgesamt sind es laut EU-Kommission 6000 Unternehmen.
Schwelle zu hoch?
Die Organisation Transparency International kritisierte die Vorschläge. Unter anderem sei die Grenze von 750 Millionen Euro Jahresumsatz zu hoch gelegt. Etliche multinationale Konzerne müssten dadurch auch in Zukunft keine Informationen offenlegen.
Ins gleiche Horn blies auch der SPD-Europa-Abgeordnete Simon Peter. Er sagte, die Grenze müsse im Gesetzgebungsprozess noch gesenkt werden, sonst müssten nur zehn Prozent aller Unternehmen ihre Steuerdaten offenlegen.
Der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold begrüßte zwar, dass die Kommission nach den Panama-Enthüllungen die Offenlegungspflicht nun auch auf Steueroasen außerhalb Europas ausweitet. Die Vorschläge blieben aber "enttäuschend", denn für die meisten Länder weltweit werde es weiter keine Steuertransparenz geben.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fürchtete durch die EU-Pläne die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen. Durch die öffentliche Aufschlüsselung von Gewinnen und Steuerangaben nach Ländern drohten deutschen und europäischen Unternehmen Wettbewerbsnachteile, erklärte BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber. "Mitbewerber werden durch die Veröffentlichungspflicht sensibler Unternehmensdaten auf Unternehmensstrukturen und Margen schließen."
Damit die Offensive der EU-Kommission an Fahrt gewinnt und auch konkrete Schritte folgen, müssen noch das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten zustimmen.
nm/bea (dpa, afp)