Briten können Sinai verlassen
6. November 2015Die britische Regierung hat nach zweitägigem Verbot wieder grünes Licht für Rückflüge aus dem ägyptischen Badeort Scharm el Scheich gegeben. Ab diesem Freitag werden mit regulären und Sondermaschinen tausende gestrandete Touristen nach Hause geflogen, wie die Regierung und mehrere Airlines bekanntgaben.
Mit der Regierung in Kairo seien zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen vereinbart worden, teilte das Büro von Premierminister David Cameron mit. Diese würden "zügig umgesetzt". Als Sicherheitsvorkehrung dürfen die Reisenden allerdings nur Handgepäck mitführen. Die Koffer müssen gesondert reisen. Der Nachrichtenagentur PA zufolge sind für Freitag mehr als 20 Flüge geplant.
London hatte den Flugverkehr von und nach Scharm el Scheich untersagt. Grund ist der Verdacht, dass am Samstag nach dem Start in der Touristenhochburg über dem Sinai abgestürzte russische Passagierflugzeug sei von einer Bombe an Bord zerrissen worden. Diese Hypothese sei "mehr als wahrscheinlich", sagte Premierminister David Cameron. Er berief sich auf "Geheimdienstinformationen".
"Wir nehmen das sehr ernst"
Etwas vorsichtiger äußerte sich später US-Präsident Barack Obama. "Ich denke, es besteht die Möglichkeit, dass da eine Bombe an Bord war, und wir nehmen das sehr ernst", sagte er dem Radiosender Kiro. Für eine endgültige Aussage sei es zu früh. "Wir werden eine Menge Zeit damit verbringen, sicherzustellen, dass unsere Geheimdienste und unsere eigenen Ermittler herausfinden, was vor sich gegangen ist, bevor wir ein endgültiges Urteil fällen", sagte Obama weiter.
Laut russischen und ägyptischen Behörden steht die Ursache des Unglücks mit 224 Toten jedoch noch nicht fest. Die Ermittlungen könnten Monate dauern, sagte der Chef des russischen Luftfahrtamts, Alexander Neradko. Präsident Wladimir Putin sagte laut Kreml-Mitteilung, es sei wichtig, bei der Bewertung der Ereignisse die aktuellen Ermittlungsergebnisse zu berücksichtigen.
Die Regierung in Kairo wies die Vermutungen über einen Anschlag entschieden zurück: Die Ermittler hätten dafür bisher keine Belege gefunden, sagte der ägyptische Minister für zivile Luftfahrt, Hussam Kamal. Anderslautende Aussagen seien nur Hypothesen. Ein Anschlag wäre verheerend für die ägyptische Tourismusbranche, eine der wichtigsten Devisenbringer des Landes.
Zwangsurlaub in Scharm el Scheich
Tausende Urlauber saßen wegen der gestrichenen Flüge in dem beliebten Badeort auf der Sinai-Halbinsel fest und wurden von Reiseveranstaltern kostenlos in Hotels untergebracht. In der Region hielten sich nach Informationen aus diplomatischen Kreisen bis zu 20.000 Briten auf. Nach Angaben des Deutschen Reiseverbands befanden sich dort auch 2000 Deutsche. Die Niederlande, Irland und die Lufthansa hatten den Flugbetrieb ebenfalls ausgesetzt. Am Abend kündigte auch die skandinavische SAS an, ihren Flug am Samstag in den Badeort zunächst auszusetzen.
Das französische Außenministerium riet den Bürgern davon ab, nach Scharm el Scheich zu reisen, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Dies gilt für den gesamten Küstenstreifen bis zur Stadt Taba. Für den Rest der Sinai-Halbinsel gibt es ohnehin eine strikte Reisewarnung.
Auch Belgiens Außenminister Didier Reynders empfahl den Bürgern, von Reisen in den ägyptischen Badeort abzusehen. "Wir raten befristet davon ab, während wir auf die Sicherheitsgarantien des Flughafens warten", sagte er dem Fernsehsender RTBF.
Das Auswärtigen Amt in Berlin dagegen aktualisierte seine Reisewarnungen für Ägypten zwar, verzichtete aber erneut auf eine Verschärfung. "Die Absturzursache ist noch nicht geklärt", heißt es lediglich. An den laufenden Untersuchungen seien auch deutsche Experten beteiligt. "Ebenso werden die Sicherheitsstrukturen am Flughafen Scharm el Scheich zurzeit überprüft", wird nun betont.
stu/chr (afp, dpa)