Snowden doch noch nach Berlin?
26. September 2014Die NSA-Affäre betrifft die ganze Welt, aber Deutschland ist das einzige Land, in dem die Affäre im Parlament untersucht wird. Soweit die gute Nachricht. Doch die Sache ist schwieriger als gedacht. Der im Bundestag eingerichtete Untersuchungsausschuss, in dem alle Parteien vertreten sind, hat es nicht einfach. Akten würden verzögert zur Verfügung gestellt und wenn sie dann auf dem Tisch lägen, seien viele Stellen geschwärzt, also unlesbar gemacht, beschwerte sich der Grünen-Politiker Konstantin von Notz am Freitag in Berlin. Doch der richtig große Aufreger, so finden es zumindest die beiden Oppositionsparteien Grüne und Linkspartei, ist, dass der Hauptzeuge Edward Snowden nicht in Berlin befragt werde. Dabei habe doch gerade Snowden als ehemaliger NSA-Mitarbeiter den so wichtigen "globalen Überblick über die technischen Bedingungen der Massenüberwachung", so von Notz.
Die anderen Mitglieder von SPD und CDU im Untersuchungsausschuss stehen dem zumindest nicht direkt im Weg. Auch sie wollen Snowden hören. Allerdings nicht in Berlin, sondern in seinem russischen Exil. Der Hintergrund: Snowden hatte um sicheres Geleit in Deutschland gebeten, was, das ergab eine Antwort der Bundesregierung, nicht gewährleistet werden könne. Die USA haben schließlich ein Auslieferungsgesuch an Deutschland gestellt. Snowden müsste vereinfacht gesagt, kaum in Deutschland gelandet, gleich in eine Maschine in die USA gesteckt und ausgeflogen werden. Außerdem sei das Staatswohl gefährdet, das deutsch-amerikanische Verhältnis wäre belastet, argumentiert die Bundesregierung. Snowden wiederum hat im Juni erklärt, dass er eine Befragung in Moskau ablehnt. Es ergibt sich also eine verquere Lage.
Wer kontrolliert wen?
Nun stellt sich die Opposition auf die parlamentarischen Hinterbeine und hat eine Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Das Gericht müsse entscheiden, "ob wir als Parlamentarier unsere Kontrollfunktion ausüben können oder ob Bundesregierung und Geheimdienste die Aufklärung kontrollieren", sagte Martina Renner von der Linkspartei. Sie forderte eine umfassende und öffentliche Befragung aller Zeugen am Ort des Geschehens, also in Berlin und inklusive Herrn Snowden.
Verklagt werden die Bundesregierung und die Mehrheit aus SPD und CDU im Untersuchungsausschuss im Rahmen einer sogenannten Organklage. Das Urteil könne dauern, erläuterte die Prozessbevollmächtigte, Jura-Professorin Astrid Wallrabenstein von der Universität Frankfurt am Main. Wohl auch Jahre, obwohl das Gericht um eine schnelle Entscheidung gebeten worden sei.
Die Strategie der Kläger
Was genau in der Klage steht, ist noch nicht öffentlich. Mann wollte dem Gericht erst einmal die Chance geben, sich einzulesen, bevor man damit an die Öffentlichkeit gehe, begründete der Grünen-Politiker Christian Ströbele die derzeit eingeschränkte Transparenz.
Das Gericht solle einen Rechtsverstoß feststellen, erklärte Wallrabenstein zumindest das Ziel der Klage. Zum einen der Bundesregierung, die sich sozusagen weigere die Maßnahmen zu treffen, Snowden in Berlin zu befragen und - juristisch formuliert - nicht ausreichend begründe, warum eine Befragung nicht möglich sei. Zum anderen die Regierungsmehrheit im Untersuchungsausschuss, die dem Wunsch der Opposition - also der Minderheit - nicht nachkomme, obwohl es doch ein sogenanntes Beweisdurchsetzungsrecht gebe.
Würde ein Urteil gefällt, wie es sich Grüne und Linkspartei wünschen, dann wäre es an der Bundesregierung, entsprechend zu handeln. Doch, wie gesagt, ein Urteil kann dauern.
Verhärtete Fronten im Untersuchungsausschuss
"Man muss auch Mal ein Zeichen setzen", sagte André Hahn von der Linkspartei und erklärte damit wohl den kurzfristigen Sinn und Zweck der Klage. "So kann es nicht weitergehen, so können wir nicht aufklären." Hahn sagte, dass dies vielleicht nicht die letzte Klage gewesen sein könnte.
Die Bundesregierung hat am Freitag noch einmal auf ihre Stellungnahme vom Mai verwiesen, wonach die Umstände für ein Asyl Snowdens in Deutschland nicht vorlägen, und bleibt damit bei ihrer ablehnenden Position.
Der Sprecher der SPD im Untersuchungsausschuss reagierte verärgert auf die Klage: "Wir bedauern, dass hier erneut der Versuch einer Skandalisierung auf der Meta-Ebene betrieben wird, statt vernünftig gemeinsam Sachaufklärung zu betreiben."