Auf Wiedersehen!
19. März 2018Dies ist eine Zeit, in der ein Land seine Freunde braucht. Nach dem Nervengift-Angriff in Salisbury muss Großbritannien sich Putins Aggression erwehren und hofft auf die europäischen Partner und ihre Unterstützung. Wie praktisch für Außenminister Boris Johnson, dass er noch einfach nach Brüssel zum monatlichen Treffen mit seinen EU-Kollegen fahren kann. Und wie tröstlich, dass sie sich nach einigem Zögern einigermaßen auf seine Seite stellen.
Das gleiche gilt für die Premierministerin. Theresa May wird Ende der Woche zum Gipfel nach Brüssel reisen, und da stehen der Handelskrieg mit Trump und Russland ganz oben auf der Agenda. Und sie kann im Kreise ihrer Kolleginnen und Kollegen um Solidarität bitten, denn noch gehört Großbritannien für genau ein Jahr zur EU. Aber all das wird sich nach dem Brexit ändern. Da gibt es dann keine gemeinsamen Ministertreffen mehr und die Briten müssen auf besondere Einladung warten, wenn sie Sorgen haben.
Man fragt sich, wie das Mantra der Brexiteers in der gegenwärtigen Situation den Praxistest besteht: "Holt die Kontrolle zurück" über Novichok? Diese Vorkämpfer sind übrigens derzeit bemerkenswert still und nur Boris spielt den großen Illusionisten, der so tut, als ob alles weiter ginge wie bisher. Nachts aber, allein in ihren Betten, müssen manche Leute dieser Tage von ziemlich quälenden Gedanken heimgesucht werden.
Wir haben eine Übergangs-Vereinbarung
Aus dem Pressesaal der EU-Kommission stieg weißer Rauch auf, und der britische Unterhändler David Davis zeigte sich bester Laune. Endlich habe man sich auf eine "Umsetzungsperiode" geeinigt und Großbritannien könne sich bereit machen für "ein Leben außerhalb der EU". Warum er und seine Regierung diese 21 Monate Nachspielzeit beharrlich Umsetzungs- und nicht Übergangs-Periode nennen, ist rätselhaft. Denn es ist klar, dass es nach dem Brexit-Tag am 29. März 2019 noch gar nichts umzusetzen gibt. Die formalen Gespräche über das zukünftige Verhältnis fangen da überhaupt erst an.
Aber das ist nur Wortklauberei. Wir haben in diesen jüngsten Verhandlungen ein amüsantes Muster erlebt. Erst erheben die Briten eine Menge Forderungen und ziehen rote Linien. Dann stocken die Verhandlungen für ein paar Monate. Schließlich folgt hektische Aktivität kurz vor dem Schlusstermin und am Ende geben die britischen Unterhändler auf ganzer Linie nach. Schließlich kommen sie triumphierend auf die Bühne und verkünden das, was die EU ihnen sowieso angeboten hatte, als großen Erfolg. Es ist der Sieg des politischen Marketings.
Das Ergebnis ist genau wie vorher gesagt. Großbritannien wird nach dem Brexit eine Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020 bekommen, und der rechtliche Status bleibt unterdessen quasi unverändert. Nur nehmen die Briten nicht mehr an europäischen Entscheidungen teil. EU-Bürger können weiter ins Königreich umziehen, der Güterverkehr fließt, der Handel geht weiter. Auch die Regeln und die Quoten für die Fischerei bleiben bestehen, weshalb die Schotten London schon laut des Verrats bezichtigen. Schließlich hatte die Regierung versprochen, man werde die Kontrolle über den britischen Fisch zurück holen.
Am wichtigsten aber schien dem David Davis die Tatsache, dass die Briten in der Übergangszeit Handelsabkommen mit Drittländern abschließen und unterschreiben können. Wenn diese auch erst ab 2021 in Kraft treten dürfen. Michel Barnier warnt wieder einmal vor zu großer Begeisterung, denn die EU habe 750 Abkommen in aller Welt, die von den Briten jetzt ersetzt werden müssten. Das sei eine beträchtliche Aufgabe. Der französische Diplomat liebt die kleine Untertreibung. Und er erinnert auch erneut daran, dass nichts vereinbart ist, bevor nicht alles vereinbart ist.
Die Übergangsphase ist nämlich Teil der Scheidungsvereinbarung, die bis zum Herbst aufgeschoben ist. Und die Unterschrift darunter hängt wiederum davon ab, ob die Grenzfrage in Irland gelöst werden kann. Dieses Problem ist jedoch rein logisch innerhalb der roten Linien der britischen Regierung nicht zu lösen. Aber wer weiß, wir haben rote Linien schon kommen und gehen sehn.
Auf Wiedersehen, Unilever!
Das Unternehmen hat seit 90 Jahren ein Hauptquartier in Großbritannien. Einer seiner Gründungsväter war Lord Lever, der im 19. Jahrhundert seinen Arbeitern eine hübsche Modellstadt namens "Port Sunlight" baute, benannt nach der bestverkauften Seife der Firma. Unilever hat also eine lange Tradition. Jetzt aber zieht das Unternehmen nach Rotterdam um. Und das hat natürlich nichts mit dem Brexit zu tun.
Es ist der größte Abzug eines Unternehmens seit dem EU-Referendum. Unilever stellt Konsumgüter her von der Seife bis zur Suppe und zur Produktpalette gehört auch Marmite, dieser einzigartige Brotaufstrich, der so britisch ist wie warmes Bier.
Unilever CEO Paul Polman tat sein Bestes, um die schlechte Nachricht abzumildern. Die Steuerstrukturen in den Niederlanden seien einfach günstiger für die Aktionäre. Und die niederländische Regierung helfe Unternehmen, sich gegen feindliche Übernahmen zu schützen, wie unlängst als Unilever sich gegen Kraft wehren musste. All das ist völlig überzeugend und deshalb hat der Umzug auch gar nichts mit dem Brexit zu tun.
Über mangelnden Humor beim Brexit auf französische Art
Sie hatten bestimmt viel Spaß, als sie sich diese Anzeigen ausgedacht haben. Die Ratsoberen in der Normandie, im Norden Frankreichs gelegen und mit vielen britischen Einwohnern, wollen mit ihrer speziellen Kampagne ein bisschen vom Brexit profitieren. Sie entwarfen eine nachgemachte Titelseite der ehrwürdigen britischen "Times" und legten darin dar, dass "britische Geschäftsleute einfach mit den Füßen abstimmen und ihre Brexit-Ängste" durch einen Umzug hinter sich lassen könnten.
Sie beschreiben die Normandie als wirtschaftsfreundlich und einen großartigen Ort zum Leben. Und um die Sache ein bisschen sexier zu machen, malten sie ein Herz um ihre Suchanzeige nach "heißen Unternehmern". Sie versprechen Strandspaziergänge sowie sonnige Mittagessen und Wein in Strömen. Tatsächlich regnet es in der Normandie mindestens genauso viel wie im Süden Englands und die alkoholgeschwängerte Mittagspause ist in Frankreich so überholt wie überall sonst.
Abgesehen davon erscheint das Ganze als ein eher harmloser Spaß, wenn auch mit einem Hauch Schülerzeitungs-Humor. In Großbritannien reagierte man allerdings ziemlich angefasst nach der Devise: Wie konnten es diese Franzosen nur wagen… Aber die Normandie hatte für die Anzeigen bezahlt und sie erschienen hier und dort in der britischen Presse. Nur nicht bei "Transport for London". Das Nahverkehrsunternehmen in der britischen Hauptstadt verbot das Erscheinen der normannischen Späßchen in Bussen und U-Bahnen. Sie würden die Regeln brechen "über Bilder oder Botschaften, die sich auf Themen der öffentlichen Auseinandersetzung oder Empfindlichkeit" beziehen. Ernsthaft, wo bleibt der britische Sinn für Humor? Alles Brexit, oder was?
Die besten Brexit- Zitate der Woche
Der erste Preis für das beste Brexit-Zitat geht an den luxemburgischen Ministerpräsidenten Xavier Bettel. Er definierte das britische Problem so: "Sie waren drin und hatten eine Menge 0pt-outs. Jetzt wollen sie raus, aber möchten eine Menge Opt-ins." Das ist die kürzest-mögliche Zusammenfassung.
Und Terry Nichol, ein Leser der "Irish Times", formulierte diese feingeistige Beschreibung: "Brexit ist das Undefinierte, ausgehandelt von den Unvorbereiteten, um das Unspezifische für die Uninformierten zu erreichen." Glückwunsch!
Und schließlich der unvermeidliche Nigel Farage, der seine letzten Monate im Europaparlament und in der Sonne europäischer Aufmerksamkeit genießt, bevor er selbst gebrexitet wird: "Wir können mit Donald Trump in 48 Stunden einen Deal bekommen…" Viel Spaß!