Brennstoff für den Kalten Krieg
11. März 2014Der Energieverschwender USA will zum Energiespender werden. Und Barack Obama wird Araber - zumindest, was den Brennstoff angeht: "Wie sich zeigt, sind wir das Saudi-Arabien des Erdgases", schwärmt der US-Präsident. "Wir haben viel davon." Amerikas Erdgas-Boom durch neue Fracking-Technologien befeuert nicht nur Öfen, sondern auch das Selbstbewusstsein. Bereits im Jahr 2020 will das Land dem Nahen Osten den Rang als führende Energienation streitig machen.
Die Aussicht, dass die Amerikaner künftig mehr Öl und Erdgas produzieren als sie verbrauchen, sehen nun einige im Kongress als Chance, damit auch Russlands Präsident Wladimir Putin einzuheizen. Brennstoff als Waffe im neuen kalten Krieg - die Krise in der Ukraine weckt diese Gedanken besonders im Lager der US-Republikaner. Es geht in erster Linie darum, den Energiebedarf Europas und der Ukraine zu unterstützen, sagte der konservative Kongressabgeordnete Robert Pittenger der Deutschen Welle.
Mit Flüssiggasslieferungen aus den USA und von Alliierten im Nahen Osten wie etwa Kuwait wollen er und andere Kongressabgeordnete Osteuropa aus der Abhängigkeit von russischen Erdgaslieferungen helfen. "Es gibt noch einige infrastrukturelle und logistische Probleme zu lösen", sagt der Vorsitzende der Taskforce für Terrorismus und unkonventionelle Kriegsführung des US-Kongresses. "Doch ich denke, in naher Zukunft könnten wir soweit sein."
Noch exportieren die USA gar kein Erdgas. Doch Firmen wie ExxonMobil drängen die US-Regierung seit langem, endlich die nötigen Genehmigungen zum Bau der Exportterminals zu erteilen. Unterstützt werden sie dabei von immer mehr Republikanern. "Der Präsident könnte sofort unsere Gasexporte anleiern", forderte etwa der Mehrheitssprecher im Abgeordnetenhaus, John Boehner. Obama brauche nur zum Hörer zu greifen und es anzuordnen."In den vergangenen drei Jahren haben wir lediglich die Genehmigungen für drei Exportterminals für flüssiges Erdgas vergeben", so Boehner. 24 Anträge stapelten sich noch im Energieministerium.
Krim-Krise als Chance
Die Krise auf der Krim sollte nach Meinung der Republikaner Argument genug sein, um den Bauvorhaben schnellstmöglich grünes Licht zu geben. Erst dann könnte das Flüssiggas aus den USA gen Osten verschifft werden. "Das Angebot der Amerikaner, insbesondere der US-Republikaner, die Gaslieferungen von amerikanischer Seite nach Europa und insbesondere nach Deutschland jetzt zu starten, ist in erster Linie politisch strategisch zu verstehen", so die Leiterin des Washingtoner Büros der Bertelsmann-Stiftung, Annette Heuser. Es sei ein klares Signal an den Kreml und an Putin, dass die transatlantische Allianz hier zusammensteht.
Doch selbst, wenn die US-Regierung die ausstehenden Genehmigungen umgehend erteilte, bliebe die Umsetzung solcher Export-Pläne nach Europa Zukunftsmusik. "Defacto ist nur ein Hafen in den USA derzeit in der Lage, Flüssigkeit zu exportieren", sagt Heuser. "Darüber hinaus muss man wissen, dass die Amerikaner sich vertraglich langfristig verpflichtet haben, dieses Flüssiggas in erster Linie nach Asien zu exportieren. Allen voran an die Südkoreaner, an die Japaner und an die Inder." Zum Dritten sei es auch wichtig zu sehen, dass die Europäer derzeit so gut wie keine Kapazitäten hätten, dieses Flüssiggas aufzunehmen.
Energie als Druckmittel?
Die meisten genehmigten Exportterminals in den USA sind gerade erst im frühen Baustadium. Lediglich die erste Einrichtung in Louisiana könnte bereits im kommenden Jahr laufen. Andere werden nicht vor 2017 den Betrieb aufnehmen. Auf der anderen Seite des Atlantiks sieht es ähnlich dünn aus: Importhäfen für Flüssiggas gibt es bislang nur in Frankreich, Spanien, Belgien und den Niederlanden.
Nichtsdestotrotz hat die energiepolitische Debatte seit einigen Jahren in Washington an Fahrt gewonnen. Dabei geht es um neue Handelswege in einer geopolitisch veränderten Welt, sagt Heuser: "Die Europäer haben bislang erste Pläne dazu entwickelt. Aber ich gehe ganz stark davon aus, dass die Krimkrise jetzt dazu beiträgt, dass die Frage der energiepolitischen Unabhängigkeit der transatlantischen Allianz insgesamt ganz oben auf der Tagesordnung stehen wird."
Maßgeblich an einer sogenannten Europäischen Energiecharta beteiligt ist der ehemalige US-Botschafter der Ukraine, Carlos Pascual. Seit 2011 leitet der Diplomat im US-Außenministerium eine eigene Abteilung für Energiereserven. Ihre Aufgabe ist es etwa, Ländern im demokratischen Umbruch wie der Ukraine dabei zu helfen, sich aus dem Würgegriff dominierender Energieversorger zu lösen. "Durch die weltweiten Markt-Veränderungen sehen wir zunehmend die Notwendigkeit eines globalen Gasmarktes", so Pascual. "Wir müssen die europäischen Gas-Angelegenheiten in einen viel weiteren Kontext fassen." Fragen der Gasversorgung seien nicht länger geografisch eingegrenzt. "Sie sind zu globalen Fragen geworden."
Pascual sagt, er und seine Abteilung hätten der Ukraine bereits in den vergangenen drei Jahren dazu verholfen, ihre Abhängigkeit von russischem Gas um ein Drittel zu verringern - auf 60 Prozent. Andere osteuropäische Länder habe die Abteilung mit neuen Energieversorgern - etwa aus Afrika - verkuppelt.
Auch Deutschland wird auf Dauer vor der Wahl stehen, glaubt Politologin Heuser. "Unabhängig von der tagesaktuellen Frage, wie die Krimkrise zu lösen ist, ist klar, dass das Thema energiepolitische Abhängigkeit ganz oben auf der europäischen Agenda steht", sagt sie. "Und in Zukunft müssen sich die Europäer - allen voran die Deutschen - die Frage stellen, ob sie von den Russen oder von den Amerikanern ihre Gas- und Öllieferungen erhalten wollen."