Breiter Appell für Freilassung von Assange
6. Februar 2020"Wir unterstützen die Forderung des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen zum Thema Folter, Nils Melzer, nach einer umgehenden Freilassung von Julian Assange, aus medizinischen sowie aus rechtsstaatlichen Gründen", heißt es in dem Aufruf, der auf einer ganzen Seite in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erschienen ist. Man sei in großer Sorge um das Leben Assanges, der sich in einem kritischen Gesundheitszustand befinde.
Assange sitzt im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Auslieferungshaft. Die USA wollen ihm wegen Spionage den Prozess machen. Wegen der Enthüllung von Kriegsverbrechen werde er dort mit 175 Jahren Einzelhaft bedroht, stellen die Unterzeichner des Aufrufs fest.
22 Stunden allein in der Zelle
Assange zeige "alle Symptome, welche typisch sind für Opfer langdauernder psychischer Folter", zitiert der Appell aus einem Bericht des UN-Sonderberichterstatters, der den inhaftierten Australier im Mai letzten Jahres mit einem Ärzteteam besucht hatte. Ohne jeden stichhaltigen Grund müsse der Australier 22 bis 23 Stunden alleine in seiner Zelle verbringen, heißt es weiter. Jeder normale menschliche Kontakt zu anderen Gefangenen werde strikt unterbunden und seine Prozessvorbereitung systematisch untergraben. In einem offenen Brief forderten bereits im November 60 Ärzte, den 48-Jährigen in ein Universitätskrankenhaus zu verlegen, da sein Gesundheitszustand mittlerweile als lebensbedrohlich einzuschätzen sei.
In dem Aufruf heißt es weiter, es sei offensichtlich, dass Assange unter den gegenwärtigen Haftbedingungen weder genesen noch sich auf sein Auslieferungsverfahren vorbereiten könne. Das Verfahren soll am 24. Februar beginnen. Beides stelle "schwere Verstöße gegen menschenrechtliche und rechtsstaatliche Grundprinzipien dar", kritisieren die Unterzeichner. Sie rufen Großbritannien "dringend" dazu auf, Assange umgehend aus der Haft zu entlassen, und appellieren an die Bundesregierung, sich in diesem Sinne bei der britischen Regierung einzusetzen.
Viele prominente Unterzeichner
Zu den Unterzeichnern gehören unter anderen die ehemaligen Bundesministerinnen und -minister Katharina Barley, Sigmar Gabriel, Herta Däubler-Gmelin, Heidemarie Wieczorek-Zeul (alle SPD) und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Gerhart Baum, FDP-Bundesinnenminister von 1978 bis 1982, sagte bei einer Pressekonferenz, es gehe "nicht nur um das Menschenschicksal", sondern darum, "dass wir hier für die Pressefreiheit kämpfen".
Sevim Dagdelen, Bundesabgeordnete der Partei Die Linke, nannte Assange einen Menschen, "der alles in Kauf genommen hat", um "Kriegsverbrechen von Mächtigen und von herrschenden Regierungen öffentlich zu machen". Deshalb sitze Assange in Haft. Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki, der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sowie Bundestagsabgeordnete wie Gregor Gysi (Linke) und Karl Lauterbach (SPD) haben sich dem Aufruf angeschlossen.
Außerdem unterschrieben die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jellinek, die Schriftsteller Navid Kermani und Martin Mosebach, der Journalist Günter Wallraff, aber auch Benediktinerpater und Autor Anselm Grün sowie viele weitere Persönlichkeiten aus Kabarett, Theater und Film und das PEN-Zentrum Deutschland.
Assange sitzt seit April 2019 im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Osten Londons. Die USA haben seine Auslieferung beantragt. Sie werfen ihm vor, der amerikanischen Whistleblowerin Chelsea Manning - damals noch Bradley Manning - geholfen zu haben, geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan zu veröffentlichen. Durch die Veröffentlichung kamen unter anderem von US-Soldaten begangene Kriegsverbrechen an die Öffentlichkeit. Insgesamt liegen 18 Anklagepunkte gegen Assange vor. Bei einer Verurteilung in allen Punkten drohen ihm 175 Jahre Haft. Die Anhörung über seine Auslieferung soll am 24. Februar beginnen.
kle/ust/uh (kna, afp, dpa, FAZ, dw)