Brasilien: Lulas Ölrausch
15. Juli 2024Ende September 2023 hat der halbstaatliche brasilianische Ölkonzern Petrobras nun doch die erste Lizenz für Explorationsbohrungen im Amazonas-Mündungsbecken erhalten.
Noch im Mai des Jahres hatte die Umweltbehörde Ibama die Lizent verweigert und auf Gefahren für die Tierwelt und den Lebensraum Indigener durch Öl-Unfälle verwiesen.
Es geht um riesige Mengen Erdöl, die Rede ist von mehreren Milliarden Barrel (1 Barrel = 159 Liter). Für die Regierung des linksgerichteten Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva stellte sich die Frage: fördern oder aus Klimaschutzgründen im Boden lassen?
Legal und umweltfreundlich?
Die Entscheidung ist eigentlich schon gefallen. Lula da Silva will an dem Vorhaben festzuhalten, trotz Protesten von Umweltschützern.
"Wir wollen alles auf legale Weise tun und die Umwelt respektieren", sagte Lula da Silva in einer Rede im Juni. "Wir werden auf keine Gelegenheit verzichten, dieses Land wachsen zu lassen."
Petrobras-Chefin Magda Chambriard erklärte, die in der betroffenen Zone vermuteten Reserven seien "für die Auffüllung der Ölreserven des Landes von entscheidender Bedeutung".
Umweltministerin Marina Silva ging dagegen auf Distanz zu den Plänen. Die Erkundung fossiler Brennstoffe im Land sei grundsätzlich eine Entscheidung der Regierung und nicht ihres Ministeriums, erklärte Silva vor einigen Monaten.
Bis zu 14 Milliarden Barrel Öl
Die betroffene Zone "Margen Ecuatorial", wo die großen fossilen Vorkommen vermutet werden, erstreckt sich im Norden entlang der brasilianischen Küste von Rio Grande do Norte bis Amapá. Petrobras hat im Strategieplan für 2024 bis 2028 Investitionen von rund 3,1 Milliarden US-Dollar für die Erforschung der Region vorgesehen.
Der Ölkonzern verwies vor einigen Wochen darauf, dass die zur Mündung des Amazonas nächstgelegene Bohrung etwa 500 Kilometer entfernt und 2.880 Meter tief sei. Laut lokalen Medienberichten schätzt der Konzern das gesamte Ölvorkommen auf 14 Milliarden Barrel.
Gründe für Förderung
Es gebe verschiedene Punkte, die aus rein ökonomischer Sicht für das Projekt sprechen, sagt Wirtschaftswissenschaftler Felipe Rodrigues im Gespräch mit der DW.
"Es geht um lokale Einnahmen, unter anderem aus Lizenzgebühren, um Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung für die Region. Aber es geht auch um technologische Entwicklung."
Hinzu kämen Investitionen ausländischer Kooperationspartner. Zudem stehe Brasilien unter Zugzwang, weil Nachbarländer wie Venezuela oder Guyana ihrerseits Öl in der Region fördern. "Wir sind heute noch nicht völlig energieautark, aber wir würden uns diesem Ziel nähern", so Rodrigues.
Wenn Brasilien sich zu diesem Schritt entscheide, könnten zudem auch Mittel bereitgestellt werden, um in den Schutz der Amazonas-Region und den Wandel der Energiewirtschaft zu erneuerbaren Energien zu investieren, so Rodrigues.
Umweltexperten warnen
Umweltökonomin Suelen Cabral von der Rio de Janeiro State University (UERJ) warnt dagegen vor den möglichen Folgen: "Kein wirtschaftlicher Gewinn könnte den Schaden abmildern, der in der Mündung des Amazonas entstehen könnte."
Statt auf die Förderung des Erdöls sollte sich die Regierung "auf Investitionen in saubere Energie konzentrieren, um Wohlstand für eine nachhaltige Zukunft zu schaffen", so Cabral zur DW.
Indigene Völker fordern Mitsprache
Neben den ökonomischen und ökologischen Aspekten gibt es aber auch noch eine kulturelle, gesellschaftliche Komponente. "Als indigene Völker haben wir eine klare Position zu diesem Thema", sagt die indigene Aktivistin Samela Sateré Mawé von "Fridays for Future Brasil" auf Anfrage der DW.
Sie verweist auf ein Dokument der Vereinigung der indigenen Völker Brasiliens (APIB) und der Vereinigung der indigenen Völker von Amapá und Nord-Para (APOIANP), in dem sie sich gegen die Exploration in der Region aussprechen würden.
"Wir indigenen Völker sind die Hauptbetroffenen. Die Politiker, die die Entscheidungen treffen, sie sind nicht diejenigen, die unter den Folgen leiden."
Mawé fordert, die in der Region lebenden indigenen Völker sollten zuvor angehört und umfassend informiert werden: "Wir indigenen Völker haben oft weder ein Mitspracherecht noch eine Stimme, noch werden wir konsultiert."