Die Botschaften des Klaus Staeck
25. März 2011Klaus Staeck wurde Anfang der 1970er Jahre bekannt durch seine satirische Auseinandersetzung mit der Politik. 1967 wurde der Siebdruck sein Medium, und die Bundesrepublik mit ihrer politischen und wirtschaftlichen Elite und ihren Skandalen sein Großthema. Kein anderer Künstler schuf nach dem Zweiten Weltkrieg so viele Bilder, die Teile des kollektiven Gedächtnisses wurden. Mit Hunderten von Plakaten, Postkarten und Aufklebern machte der nach eigenem Bekunden "klassische Einmischer" in über 30 Jahren auf die Umweltverschmutzung und den Rüstungswettlauf, die Arbeitslosigkeit oder den Großen Lauschangriff aufmerksam. Seit 2006 ist er Präsident der Akademie der Künste in Berlin.
Deutsche Welle: 1976 kam es zum "Bonner Bildersturm". Damals rissen aufgebrachte Abgeordnete der CDU/CSU in Bonn einige Plakate von den Wänden, die sie gestaltet hatten. Wann ist Ihnen das Potenzial von politischen Plakaten bewusst geworden?
Klaus Staeck: Ich begann mit Holzschnitten, die billiger waren, stieg dann aber auf das Plakat um, weil ich breiter wirken, nicht nur eine Galerie erreichen wollte. Meine Grafik zum Dürerjahr "Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?" hat mir durch seine große Resonanz gezeigt, dass ich die Menschen mit Ironie und Satire erreiche, obwohl das Plakat für kein Produkt und keine Veranstaltung wirbt, sondern nur eine künstlerische Frage aufwirft.
Wie sollen Ihre Plakate wirken?
Meine Plakate wollen zunächst irritieren, ohne dass sie dahingehend appellieren, was gewählt werden soll. Ich wünsche mir, dass sie Zweifel wecken, wenn sie beim Betrachter ankommen. In jedem Fall müssen sie anders sein, als die Werberoutine es vormacht!
Welches war das letzte politische Künstlerplakat, das Sie irritiert und neugierig gemacht hat?
Was mich empört hat, war das Plakat zu den Anti-Minarett-Abstimmungen in der Schweiz, das ist ein teuflisch gut gemachtes Plakat. Ebenso wie das Plakat gegen die sogenannte "Ausschaffung", die beide, glaube ich, vom selben Autor gemacht sind. Wirklich böse gut gemacht! Ich bin überzeugt, dass diese Plakate einen wesentlichen Beitrag zu der Abstimmung geleistet haben.
Wenn das Wort nicht weiter weiß
Mein Eindruck ist, dass die Litfaßsäule ausstirbt, stirbt damit auch das politische Plakat?
Mit Sicherheit nicht! Solange ich Plakate mache, wird das Plakat tot gesagt. Wenn Sie sich aber in der Werbung umschauen, stellen Sie fest, dass das Plakat eines der wichtigsten Werbemittel ist. Da sich in der Werbung alles rechnen muss, wäre das Plakat längst gestorben, wenn es für die Werbung keinen Wert hätte.
Für das Werbeplakat mag das zutreffen. Aber das politische Künstlerplakat ist nicht mehr oft in den Straßen zu finden.
Das stimmt schon. Litfaßsäulen zu mieten, kostet viel Geld. Wenn ein Künstler sein Plakat entworfen hat, sei es gegen Atomenergie oder gegen etwas anderes, dann waren die Plakate immer nur eine Art Beiwerk. Ich habe meine Plakate immer als Demokratiebedarf bezeichnet. Gruppen, die sich engagieren wollen, kommen an den Punkt, an dem sie das gesprochene Wort nicht mehr weiterbringt.
Das Internet als Helfer
Es gibt Künstler wie Richard Serra, der mit seinen aggressiven Plakaten im Internet gegen die Wiederwahl von George Bush protestierte. Verdrängt oder multipliziert das Internet das politische Plakat?
Ich habe gerade zur Auseinandersetzung mit Karl-Theodor zu Guttenberg ein Plakat gemacht. Das haben viele Redaktionen bekommen und zwei Zeitungen gedruckt, aber im Internet auf facebook ist es zum Renner geworden. Dort hat es einen Lauf durch die Medien angetreten, den ich nicht für möglich gehalten hätte. Das war für mich ein ganz neuer Verbreitungsweg.
Wollen Sie nun voll auf facebook umsteigen?
Ich habe zumindest entdeckt, dass dies ein Weg ist, der viele Menschen in kürzerer Zeit erreicht, als das über den traditionellen Weg der Litfaßsäule möglich wäre, der leider immer noch sehr viel Geld kostet.
Der Mensch will stehende Bilder
Glauben Sie, dass die Atomkraft-Thematik, aufgrund der jüngsten Ereignisse in Japan, nun auch vermehrt in Deutschland durch politische Plakate verarbeitet wird?
Ich hoffe es! Weil das Plakat in diesen Auseinandersetzungen eine große Chance hat, intensiver wahrgenommen zu werden, als viele Pamphlete, die entstehen. Wenn Sie ein Auge auf eine der häufigen Demonstrationen werfen, werden fast immer selbstgemachte Plakate mit rumgetragen. Neulich war in Berlin die Anti-Guttenberg-Demonstration und viele Leute trugen teils professionelle, teils selbst gemachte Plakate mit sich herum, durch die sie sich ausdrückten.
Können Sie über solche Plakate schmunzeln oder ist Ihnen das zu stümperhaft?
Mich freut es, wenn das Plakat auch so weiter lebt. Es ist nicht klein zu kriegen. Ich behaupte es wird immer auch ein Bedürfnis nach dem stehenden Bild geben. Das Elektronische ist so flüchtig, dass der normale Mensch es gar nicht erfassen kann. Der Mensch kann nach dem Schauen einer Sendung kaum sagen, was er gesehen hat. Ebenso wie bei gedruckter Zeitung, besteht das Bedürfnis etwas in der Hand zu halten.
Das Gespräch führte: Jan Hecker
Redaktion: Marlis Schaum