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Bosnische Salafisten in Syrien

Zoran Arbutina26. Februar 2014

Viele Salafisten aus Bosnien-Herzegowina kämpfen in Syrien, obwohl eine rigide Auslegung des Korans nicht der Tradition des Islam im Land entspricht. Besonders besorgniserregend sind die radikalisierten Rückkehrer.

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Screenshot der Internetseite liveleak.com
Bild: liveleak.com

Es sind beunruhigende und verstörende Bilder, die im Internet kursieren: Drei bewaffnete Männer sitzen in einem improvisierten Unterstand, geschützt vor der prallen Sonne, die im Hintergrund auf eine karge, steinige Umgebung fällt. Zwei tragen Sturmhauben - man sieht nur ihre Augen. Der dritte hat keine Maske, sein Gesicht wurde nachträglich verpixelt. Kalaschnikows und Koran-Bücher liegen in ihrem Schoß. Der Sprecher lädt die bosnischen Jugendlichen ein, "sich dem Dschihad auf Allahs Weg in Syrien anzuschließen", denn dort würden Muslime misshandelt und muslimische Frauen vergewaltigt. Man könne nicht untätig bleiben, sagt der Sprecher in klarer bosnischer Sprache.

Schon seit Monaten tauchen in den bosnisch-herzegowinischen Medien Berichte über freiwillige Salafisten auf, also radikale Muslime, die nach Syrien gehen, um dort, wie sie es nennen, im "heiligen Krieg" zu kämpfen. Verschiedenen Geheimdiensten zufolge sollen es 100 bis 150 Salafisten aus Bosnien und Herzegowina sein, die nach Syrien gegangen sind, sagt der bosnisch-herzegowinische Journalist und Kenner der Szene Esad Hećimović. Davon sollen zehn bis 15 bereits ums Leben gekommen sein. Das Innenministerium geht hingegen von 60 Salafisten aus, die aus Bosnien nach Syrien gegangen sind. Die Gesamtzahl der radikalen Muslime aus dem Westbalkan, die in den Syrien-Krieg gezogen sind, soll allerdings weit höher sein. Geheimdienste gehen von weiteren 140 Salafisten aus.

Moschee und Kirche (Foto:Marvin Halfen/DW)
In Bosnien und Herzegowina keine Seltenheit: Das Minarett einer Moschee und ein Kirchturm nah beieinanderBild: Marvin Halfen

Radikalisierung durch den Krieg

Dabei ist eine rigide und konservative Auslegung des Korans, typisch für den Salafismus oder Wahhabismus, nicht in der bosnisch-herzegowinischen Tradition des Islam verwurzelt . Bosnische Muslime, auch Bosniaken genannt, sind mehrheitlich Sunniten und gehören der hanafitischen Rechtsschule an, die als besonders offen und dialogbereit gilt. "Das hat auch damit zu tun", sagt Hećimović, "dass sie eine lange Tradition des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Staat mit orthodoxen und katholischen Christen haben." Auch viele sephardische Juden leben schon seit Jahrhunderten in Bosnien-Herzegowina. Spezifisch für Bosnien und Herzegowina ist auch die Organisationsstruktur der Muslime in der einheitlichen "Islamischen Gemeinschaft Bosnien und Herzegowina (IZ BiH)", mit einem Großmufti an der Spitze, der alle sieben Jahre neu gewählt wird.

Mit dem Krieg in Bosnien-Herzegowina Anfang der 1990er Jahre kam es allerdings zu einer neuen Entwicklung. Unter dem Eindruck von Verfolgung und Belagerung setzte bei einigen Bosniaken ein Prozess der Radikalisierung an. Gleichzeitig begann der Zuzug fundamentalistischer Muslime aus dem Ausland, oft aus arabischen Ländern. 2000 Kämpfer sollen es gewesen sein - unter ihnen auch solche mit Verbindungen zu Osama bin Laden."Das waren einerseits Kämpfer, die bei der Verteidigung der Muslime helfen wollten. Andererseits waren es Mitarbeiter verschiedener Hilfsorganisationen oder der diplomatischen Vertretungen und Kulturstiftungen", sagt Igor Tabak, Sicherheitsexperte des kroatischen Online-Portals Obris.org. Sie brachten andere Sichtweisen des Islam mit und verbreiteten sie.

Esad Hecimovic (Foto: Samir Huseinovic)
Esad Hećimović war wegen seiner Artikel selber schon Ziel verbaler AttackenBild: Samir Huseinovic

Veränderungen in der Gesellschaft

Nach dem Friedensabkommen von Dayton vom Winter 1995 und dem Ende des Krieges beschlossen einige dieser Islamisten in Bosnien zu bleiben und bekamen bosnische Pässe. Sie rekrutierten junge Menschen für den religiösen Nachwuchs, sie bauten mit Hilfe saudischer Stiftungen neue Moscheen und widmeten sich der Verbreitung der wahhabitischen Richtung des Islam.

Dieses Engagement hat auch Früchte getragen - es sei inzwischen zu einer kulturellen Veränderung innerhalb der bosnisch-herzegowinischen Gesellschaft gekommen, sagt Tabak. Religion sei im Alltag viel präsenter. So feiern heute Teile der Bevölkerung zusätzliche Feiertage, die man früher nicht gefeiert hat, und mittlerweile sind Frauen in Ganzkörperverhüllung auf den Straßen zu sehen. Das sei früher nicht der Fall gewesen. Die gesamte Wahrnehmung der Rolle des Islam in der Gesellschaft ändere sich, sagt Tabak.

Insbesondere in den Jahren unmittelbar nach dem Krieg versuchten radikale Salafisten-Gruppen ihren Einfluss auf die Islamische Gemeinschaft (IZ BiH) auszuweiten. So wollten sie einige Moscheen dominieren und jene Prediger dazu drängen, ihre streng konservative Islamauslegung als "einzig wahre" Auslegung zu verbreiten. Nach mehreren Konflikten, in denen die Islamische Gemeinschaft auch staatliche Unterstützung erhielt, verließen die Salafisten diese Moscheen. So wurde einerseits ihr direkter Einfluss auf die Öffentlichkeit reduziert. Andererseits aber habe man dadurch auch die Kommunikationswege gekappt, sagt Esad Hećimović. So sei es schwerer sie zu beeinflussen und dies stelle ein Sicherheitsproblem dar, sagt der Experte.

Mevlid Jasarevic und die US-Botschaft (Foto: DPA)
Der Salafist Mevlid Jarasavic schoss im Oktober 2011 auf die US-Botschaft in SarajevoBild: picture alliance/dpa

Gefährliche Rückkehrer

Eine besonders große Gefährdung der Sicherheit stellen sowohl für Bosnien und Herzegowina, als auch für die ganze Region des Westbalkan und insgesamt Europas diejenigen Salafisten dar, die aus dem syrischen Krieg zurückkehren. Sie seien im Kampf ausgebildet, ideologisch weiter radikalisiert und international wesentlich besser vernetzt, sagt der Sicherheitsexperte Igor Tabak.

Das sei für die Region des Westbalkan ein Problem: "Es gibt Befürchtungen, dass die Rückkehrer terroristische Gruppen bilden könnten, die dann einzelne Politiker oder kritische Journalisten angreifen könnten", warnt der Analyst Esad Hećimović, selber schon mehrfach Zielscheibe der Extremisten. Als besonders gefährdet gilt der bosnisch-herzegowinische Innenminister Fahrudin Radončić: Auf seine Initiative wurde ein Gesetz verabschiedet, wonach sowohl die Teilnahme, als auch die Rekrutierung für einen Krieg im Ausland strafbar sind. Ein ähnliches Gesetz ist auch für Serbien vorgesehen.

Fahrudin Radončić (Foto: DW/S. Huseinovic)
Der bosnische Innenminister Fahrudin Radončić könnte zum Ziel der Extremisten werdenBild: DW/S. Huseinovic

Aber auch europaweit sei dies "ein ernstzunehmendes und realistisches Problem, dem man nur sehr schwer Herr werden kann", betont Igor Tabak. Es sei gut nachvollziehbar, so Tabak, dass die Sicherheitsbehörden in der EU darüber sehr besorgt sind. Dieses Problem könne man aber nicht dadurch lösen, dass man um die Länder des Westbalkan eine Art Sicherheitszone einrichte. Denn es gebe wesentlich mehr Salafisten und militante Islamisten in den Ländern Westeuropas, als in Bosnien und den angrenzenden Ländern. Alle diese Länder aufgrund der Salafisten vom Rest Europas isolieren zu wollen wäre "ein schwerwiegender Fehler", sagt der Sicherheitsexperte aus Zagreb.