Bonner Initiative hilft Syrien-Flüchtlingen
9. April 2014Eine Packung Frischkäse mit Chili-Geschmack? Andrea von Schmude versucht den drei kopftuchtragenden Syrerinnen neben ihr in gebrochenem Arabisch die Inhaltsstoffe zu erklären. Immer wenn ihr Arabisch nicht reicht, spricht sie auf Englisch weiter. Battol, die einzige der drei, die gut Englisch versteht, schüttelt den Kopf. Sie möchte lieber Frischkäse mit Kräutern nehmen. Und zwei Liter Milch. Ob sie Schokopudding einpacken, überlegen die drei Frauen noch. Schwieriger wird es bei der nächsten Station: Wurst und Fleisch. Sie lehnen entschieden ab, verzichten aus Angst, es könnte Schwein enthalten sein.
Jeden Mittwochnachmittag holt Andrea von Schmude die syrischen Frauen aus Bonn ab und fährt sie zur ökumenischen Lebensmittelausgabe nach Bornheim bei Bonn. Hier können Bedürftige gespendete Lebensmittel erhalten - jede Familie zahlt 1,50 Euro und kann so viel einpacken wie sie möchte. Dazu braucht man allerdings einen Bedürftigen-Ausweis. Andrea von Schmude hat ihre Kontakte spielen lassen, damit sich die Frauen bei der Bornheimer Lebensmittelausgabe anmelden können. In Bonn war diese Hilfseinrichtung überlaufen.
Hilfe bei Einkauf und Arztbesuch
"Als ich hörte, dass die Flüchtlingsfamilien hier in Bonn ankommen, wollte ich helfen", erzählt die 45-Jährige. "Sie sind ja im Prinzip unsere Nachbarn. Ich freue mich, wenn Menschen aus einer Kriegsgegend hier ein Stück ins Leben zurückfinden." Sie begleitet die Frauen auch zum Arzt und übersetzt zwischen Deutsch und Arabisch oder Englisch - und wenn das nicht reicht, auch mit Händen und Füßen.
Erfahren hat sie von den syrischen Flüchtlingen durch ihre katholische Kirchengemeinde in Bonn-Duisdorf. Sie unterstützt seit Anfang dieses Jahres einen Syrer mit deutschem Pass, Ahmed Kiwan, der nach und nach seine Verwandten aus dem Bürgerkriegsland nach Deutschland holt. Für 27 Mitglieder seiner Großfamilie hat er bereits die Einreisegenehmigung erwirkt, sieben weitere warten noch in Jordanien. Denn Kiwan muss für alle Kosten selbst aufkommen - vom Flug über Miete bis hin zu Kleidung und Essen - und dafür auch eine Bürgschaft übernehmen. Alleine konnte er das nicht.
Gemeinde sammelt Spenden
Deshalb hat die Kirchengemeinde das "Netzwerk Syrienhilfe" ins Leben gerufen. Denn es sei eine "christliche Verantwortung", der Großfamilie zu helfen, so Pastoralreferent Guido Zernack. "Es kann ja nicht sein, dass wir für Flüchtlinge irgendwo auf der Welt Geld sammeln - und hier vor Ort sind Flüchtlinge, die Hilfe brauchen. Denen muss ja auch geholfen werden." Seit Jahresbeginn sind schon Spenden in Höhe von 50.000 Euro zusammengekommen. Für die kommenden Monate dürfte das reichen. Die Flüchtlinge lernen fleißig Deutsch und hoffen bald auf eigenen Beinen stehen zu können.
"Niemand hilft uns so sehr wie die Menschen hier in Deutschland", sagt Battol. "Nicht einmal die Araber in Jordanien, obwohl wir ein und dieselbe Kultur sind." Dort war sie mit ihren Verwandten in der ersten Zeit untergekommen, nachdem sie aus ihrer Heimatstadt Tafas im Süden Syriens vor dem Bürgerkrieg fliehen mussten. "In Syrien gibt es kein Wasser und keinen Strom", sagt die 30-Jährige. "Überhaupt gibt es keine Sicherheit mehr." In Jordanien hauste die Großfamilie in einer kleinen Wohnung. Battol, ihr Mann und ihre Töchter teilten sich ein Zimmer.
Über Jordanien nach Deutschland
Vor zwei Monaten schließlich konnten sie nach Deutschland ausreisen, zu ihrem Schwager Ahmed Kiwan. In Bonn hat das kirchliche Hilfsnetzwerk für sie eine Wohnung organisiert. "Jetzt haben mein Mann und ich ein Zimmer - und meine Töchter haben ihr eigenes Zimmer. Außerdem gibt es ein großes Wohnzimmer und einen Balkon."
Und im Alltag kann sie auf Andrea von Schmude zählen. Nach den Lebensmitteleinkäufen hat sie für sie heute einen Besuch in einer Bonner Kleiderstube organisiert. Auch hier muss man den Nachweis erbringen, dass man bedürftig ist, um sich mit gespendeten Waren - Kleidung, Bettwäsche oder Geschirr - eindecken zu können. Die Kleiderstube wird seit 25 Jahren von einer Fraueninitiative in einer alten Schule betrieben.
Einmal pro Woche
Andrea von Schmude stellt die drei Frauen vor, jede bekommt eine Mitarbeiterin zur Seite. Von Schmude legt der Teenagerin Raghed den linken Arm auf den Rücken und spaziert mit ihr durch die Reihen der Kleiderständer. Raghed sucht sich einige Pullover aus und verschwindet in der Umkleidekabine. Battol sucht in der Zeit nach Kinderkleidung für ihre jüngste Tochter, Elham hat eine Kiste mit einem neu gelieferten Tellerservice entdeckt. Nach über einer Stunde verlassen die Frauen mit vollen Wäschekörben und Einkaufstüten die Kleiderstube. Die Frauen wirken müde, aber glücklich über ihre neue Ausstattung. "Das war ein erfolgreicher Nachmittag", sagt Andrea von Schmude.
Sie hilft noch die Sachen vor der Wohnung aus dem Auto zu packen. Dann verabschiedet sie sich und macht sie sich auf den Heimweg. Nächsten Mittwoch wird sie Battol, Elham und Raghed wieder hier abholen - zur nächsten Einkaufsfahrt.