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15 Jahre Bologna

Armin Himmelrath19. Juni 2014

Laut einer aktuellen Umfrage sind zwei Drittel der Studierenden nach 15 Jahren Bologna-Reform mit dem Bachelor-Abschluss unzufrieden. Auch die Bilanz von Politikern und Wissenschaftlern fällt durchwachsen aus.

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Absolventenfeier Uni Bonn 2007 (Foto: Universität Bonn / Frank Luerweg)
Bild: Universität Bonn/Frank Luerweg

Knapp zwei Drittel der deutschen Studierenden halten den Bachelor-Abschluss für zu wenig, um gut in den Beruf zu starten. Zum 15. Geburtstag des Bologna-Prozesses ist das eine eher schwache Bilanz. Am 19. Juni 2014 ist es genau 15 Jahre her, dass sich in Italiens ältester Universitätsstadt Bologna die Wissenschaftsminister aus 20 europäischen Ländern trafen. "Wir hatten eine Vision", sagt Edelgard Bulmahn, die damals als Bildungsministerin für Deutschland dabei war: "Europa sollte nicht nur Wirtschaftsraum, nicht nur Arbeitsmarkt, nicht nur eine politische Einheit sein, sondern eben auch eine kulturelle, eine soziale und eine starke wissenschaftliche Einheit bilden." Den Weg dahin, so die Idee der Minister, könnte ein einheitlicher europäischer Hochschulraum ebnen. Der Bologna-Prozess war geboren.

Mehrere Ziele wurden dafür definiert:

  • Europaweit sollte es vergleichbare Studienbedingungen geben.
  • Die Studieninhalte sollten sich stärker am Arbeitsmarkt orientieren.
  • Das alles sollte zu einer größeren Mobilität für Studierende und Forscher in Europa führen.

"Entscheidend war, dass es immer eine Konferenz der Minister, der Universitäten und auch der Studierenden war", sagt Edelgard Bulmahn im Rückblick. Die Hochschulen und die beteiligten Studentinnen und Studenten sollten mit entscheiden, wie sich die Reformen entwickeln. Tatsächlich allerdings sind - zumindest in Deutschland - viele Studierende skeptisch, was den Bologna-Prozess angeht. Sie klagen über Zeitdruck und volle Lehrpläne und bezweifeln, dass ein Bachelor-Abschluss wirklich einen guten Berufseinstieg ermöglicht: Bei einer aktuellen Umfrage des renommierten Allensbach-Instituts kündigten knapp zwei Drittel der Bachelor-Studenten an, danach auf jeden Fall noch einen Master-Abschluss dranhängen zu wollen.

Edelgard Bulmahn, Foto aus dem Jahr 2004 während ihrer Amtszeit als Bundesbildungsministerin (Foto: dpa)
Edelgard Bulmahn war deutsche Bildungsministerin, als der Bologna-Prozess ins Leben gerufen wurdeBild: Picture-alliance/dpa

Bilanz fällt unterschiedlich aus

Trotzdem sei die Bologna-Reform eigentlich ganz gut gelungen, findet Franz Bosbach, Prorektor für Lehre und Studium an der Universität Duisburg-Essen – jedenfalls aus Sicht der Unis: "Wir mussten ja ein völlig neues System in unsere Studienangebote hineinbringen. Ich glaube, die Universitäten haben gezeigt, dass sie leistungsfähig sind und dass sie solche Systeme tatsächlich adaptieren können." Natürlich müsse noch an der einen oder anderen Stelle nachgebessert werden, aber insgesamt sei die Umstellung schon erfolgreich gewesen.

Nicht ganz so positiv sieht das Wolfgang Lieb. Er war als Bildungspolitiker vor 15 Jahren ein echter Fan des Bologna-Prozesses - und hat heute viel von seiner Begeisterung verloren. Denn die starke Ausrichtung der Studiengänge auf den Arbeitsmarkt - neudeutsch: "employability" - hält er für falsch: "Die bildungspolitische Seite des Bologna-Prozesses ist an die Wand gedrängt worden zugunsten der wirtschaftspolitischen Flanke. Und dadurch sind die Hochschulen sehr stark in den Griff ökonomischen Denkens geraten." Verloren gegangen sei die starke geistes- und gesellschaftswissenschaftliche Ausrichtung vieler Hochschulen, weil seither vor allem jene Fächer gefördert würden, die von der Wirtschaft besonders gefragt seien.

Nahaufnahme von Zahnrädern mit einem Mann verschwommen im Hintergrund (Foto: AP)
Kritiker bemängeln, dass mit der Bologna-Reform vor allem wirtschaftspolitisch gefragte Studiengänge gefördert würdenBild: dapd

Größere Mobilität - aber noch nicht groß genug

Franz Bosbach von der Uni Duisburg-Essen hält mit einem anderen Punkt dagegen: Die Mobilität der Studierenden sei tatsächlich gewachsen. Deutschland sei als Ziel für Gaststudenten sehr attraktiv und liege weltweit seit Jahren auf Platz drei der gefragtesten Gastländer. Und das spüre er auch an seiner Universität in Duisburg-Essen: "Wir haben eine hohe Rate von 'incoming students', die nicht nur aus dem Bologna-Raum kommen, so dass wir da ganz zufrieden sind. Nicht so zufrieden sind wir mit der 'outgoing'-Quote - die könnte noch besser werden."

Viele deutsche Studierende hätten nämlich Hemmungen, für ein Studiensemester oder ein Praktikum ins Ausland zu gehen. "Aber da arbeiten wir dran und versuchen, Überzeugungsarbeit zu leisten", so Franz Bosbach. Sein Hauptargument: Aus den 29 Erstunterzeichnern des Bologna-Prozesses sind mittlerweile 47 Teilnehmerstaaten geworden. Die Auswahl an Zielländern im Bologna-Raum ist also in den vergangenen 15 Jahren viel größer geworden.

Eine junge Frau steht mit einem Stadtplan in Rom, im Hintergrund verschwommen der Petersdom (Foto: Fotolia / lightpoet )
Ein Semester im Ausland erweitert den Horizont - die Auswahl an Zielländern ist großBild: lightpoet/Fotolia