Bollywood verändert sich
11. August 2005"Black" ist ein ungewöhnlicher Bollywood-Film - weil es keine Tanz und Gesangseinlagen gibt, keinen Clown, der die Zuschauer zum Lachen bringt, keinen Helden, der heroisch gegen soziale Ungerechtigkeiten kämpft. "Black" erzählt nur eine Geschichte: die Geschichte der blinden und taubstummen Michelle McNally und ihres exzentrischen Lehrers Mr. Sahai, der sie als einziger wie einen Menschen behandelt.
Intensiv und sensibel von Regisseur Sanjay Leela Bansali inszeniert, kann der Film in den Hauptrollen noch mit zwei der größten Bollywood-Stars aufwarten. Amitabh Bacchan spielt Mr. Sahai, den Lehrer, und Rani Mukherji seine blinde Schülerin.
Bewegung im Massenkino
Bollywood verändert sich, die Themen werden realistischer. Und das ist auch dringend nötig, findet der indische Regisseur Anurag Kashyap. Er machte mit Filmen wie "Black Friday" oder "Panch" abseits des Mainstreams von sich reden. "Wir produzieren hauptsächlich Liebes- oder Familienfilme, manchmal noch ein paar Rache-Dramen", sagt er. "Wenn wir realistische Filme drehen, sind diese gleich so künstlerisch, dass es auch schon wieder langweilig ist."
Das kommerzielle Kino in Indien ist ein Kino für die Massen. 60 Prozent der Inder leben in den über 500.000 Dörfern des Landes. Sie wollen sich für drei Stunden in eine Fantasiewelt entführen lassen, abseits ihrer harten Lebensrealität.
Neue Vielfalt
Wegen dieser Zuschauergewohnheiten war es auch für den Regisseur Onir so schwer, für seinen ersten Film "My Brother Nikhil" einen Verleih und einen Produzenten zu finden. Sein Film porträtiert Nikhil, einen jungen Homosexuellen, der HIV-infiziert ist. Von der Gesellschaft ausgegrenzt, hält nur seine Schwester Anamika zu ihm. "Filme, die Themen abseits des Mainstreams behandeln, sind nie ganz aus dem indischen Kino verschwunden", erzählt Regisseur Onir. "Das Hauptproblem sind die Produzenten und Verleiher, die immer nur Filme nach dem gleichen Muster machen wollen."
Die Vielfalt der Themen im indischen Kino gibt auch jungen aufstrebenden Schauspielern die Möglichkeit, mit Rollen zu experimentieren. Noch vor wenigen Jahren mussten sich die Schauspieler entscheiden, ob sie im kommerziellen Kino mit seinen stereotypen Charakteren oder im experimentellen Kino Kariere machen wollten. Sanjay Suri, den Hauptdarsteller von "My Brother Nikhil", freut die neue Entwickung. "Kommerziellen Erfolg kann man nicht planen", sagt er. "Ich möchte nicht auf einen bestimmten Typ oder ein bestimmtes Image festgelegt werden." Denn inzwischen gebe es auch in Indien eine junge Generation von Kinogängern, die an ganz unterschiedlichen Filmen interessiert seien. Diese Generation liebt nicht nur die Filme des eigenen Landes, sondern auch ausländische.
Kitsch läuft im Westen gut
Obwohl der indische Film immer mehr realistische Themen entwickelt, sind es die großen Bollywood-Kitsch-Produktionen, die im Westen immer mehr Fans gewinnen: mit Schauspielern, die in farbenprächtige, exotische Gewänder gekleidet sind, und emotionale Themen wie Liebe, Haß oder Eifersucht. Der völlig andere Stil, eine Geschichte zu erzählen, hat dazu geführt, dass Bollywood den internationalen Markt erobert hat. Seit etwa einem Jahr laufen auch im deutschen Fernsehen Bollywood-Filme, vor allem mit Teenie-Idol Shah Rukh Khan - mit bis zu zehn Prozent Marktanteil.