Romantik à la Bollywood
19. Februar 2023"Rann nie der Strom der treuen Liebe sanft", schrieb der englische Dichter William Shakespare in der Eröffnungsszene von "Ein Sommernachtstraum". Und meinte damit, dass Liebe nie einfach sei. Auch wenn das vielleicht kein angemessener Ratschlag zum vergangenen Valentinstag ist, so ist diese Erkenntnis doch die Blaupause für unzählige romantische Komödien (kurz: Romcoms) aus der Bollywood-Traumfabrik.
Die epischen Liebesgeschichten des gefeierten Filmemachers und Produzenten Yash Chopra (1932-2012) sind ein gutes Beispiel dafür. Chopra war einer der erfolgreichsten Filmemacher Indiens und sowohl als Regisseur als auch als Produzent richtungsweisend für das Bollywood-Kino. Seine Filme brachen Rekorde und schrieben Filmgeschichte.
So ist Chopras Klassiker "Dilwale Duhania Le Jayenge" (Deutsch: Wer zuerst kommt, kriegt die Braut) von 1995 der am längsten gezeigte Film in der indischen Kinogeschichte, der auch den Ruf von Superstar Shah Rukh Khan als "König der Romantik" besiegelte.
Netflix zeigt jetzt eine Doku-Serie über den vielfach ausgezeichneten Regisseur, die am Valentinstag Premiere feierte: "The Romantics" (Deutsch: Die Romantiker). Darin werden Interviews mit den Größen Bollywoods gezeigt und Chopras filmische Visionen entschlüsselt - von aufwendigen Kostümen über gefühlvolle Lieder bis hin zu alpinen Kulissen.
Ein Mix an Emotionen
In den 1990er-Jahren setzte Yash Chopra mit "Dil To Pagal Hai" (Deutsch: Mein Herz spielt verrückt) den nächsten romantischen Blockbuster um. Das indische Drama handelte von den Mitgliedern einer Musikgruppe mit zwei Tänzerinnen, Pooja und Nisha - dargestellt von Madhuri Dixit und Karisma Kapoor - die mit dem Choreographen Rahul ein Liebesdreieck bilden. Mit dem Bollywood-Herzensbrecher Shah Rukh Khan als Rahul und viel Herzschmerz-Zutaten, überraschenden Wendungen und einem Happy End wurde der Film ebenfalls zum Klassenschlager.
Romcoms waren nicht nur ein Bollywood-Phänomen: Auch Hollywood produzierte romantische Komödien am Fließband, von "Pretty Woman" mit Julia Roberts über James Camerons "Titanic" bis hin zu Richard Curtis' "Tatsächlich...Liebe". Trotzdem behielt der Kassenschlager "Dil To Pagal Hai" seine Bollywood-Alleinstellungsmerkmale - mit ausgedehnten Tanzszenen und überzeichneten Emotionen. Zu Yash Chopras Handschrift gehörte auch die Wahl urbaner und attraktiver Hauptfiguren, ebenso wie zukunftsweisende Mode, mitreißende Dialoge und poetische Songtexte.
Selbstermächtigung der weiblichen Hauptfiguren
Neben seiner Gabe, komplizierte Liebesgeschichten sensibel zu erzählen, glänzten Chopras' Filme durch ihre frauenzentrierte Erzählweise. Seine Heldinnen waren oft willensstarke Charaktere. So entschuldigt sich Hauptfigur Rahul"Dil To Pagal Hai" unter Tränen bei seiner besten Freundin Nisha, dass er ihre Gefühle nicht erwidern kann. Nisha kommt darüber hinweg, die beiden bleiben Freunde: So skizziert Chopra eine gesunde und gleichberechtigte Beziehung.
Bereits im Film "Silsila" (1982) - mit Bollywood-Legende Amitabh Bachchan in der Hauptrolle - war es Chopra gelungen, von einer außerehelichen Affäre und der "anderen Frau" zu erzählen, ohne das Stereotyp der intriganten Verführerin zu bedienen. In "Chandni" spielt die vor kurzem verstorbene Schauspielerin Srivedi die freigeistige Hauptfigur, die sich zwischen zwei Männern entscheiden muss - und am Ende eine unabhängige Entscheidung trifft.
Romantik in den Schweizer Alpen
Yash Chopra war bekannt dafür, für seine Song- und Tanzsequenzen Locations außerhalb Indiens zu bevorzugen, allen voran die Schweizer Alpen. Er war der Schönheit dieser Berge erlegen, wo er 1970 seine Flitterwochen verbrachte - und später dann für mehrere Dreharbeiten zurückkam. "Zu dieser Zeit hatten nur wenige von uns die Mittel, in die Schweiz zu fahren und so etwas zu sehen. Und so reisen wir quasi durch die Filme mit", erzählt der indische Journalist und Filmkritiker Anupama Chopra in der Netflix-Doku. Auch die Schweizer setzten dieser Liebe - der das Land bis heute viele indische Touristen verdankt - ein Denkmal, indem sie 2016 in Interlaken eine Statue Chopras errichteten.
Chopra erinnerte sich in einem Interview an seine Reaktion auf Kritiker, die lieber Kampfsequenzen als Lieder sahen: "Wenn du denkst, ein Kampf ist ein Höhepunkt, denke ich: Ein Song ist der Höhepunkt. Er ist deswegen ein Höhepunkt, weil er dir bleibt, wenn du das Kino verlässt." Und tatsächlich gehören viele von Chopras Filmsongs noch heute auf die Playlist einer indischen Hochzeit.
Bollywood-Romcoms sprechen sicher nicht alle an, doch sie erfreuen sich auch außerhalb Indiens einer stetig wachsenden Fangemeinde. Warum das so ist, hat der Schauspieler Abishek Bachchan in der Netflix-Serie auf den Punkt gebracht: "Unsere Filme sind wie unser Essen, unser thali (eine Platte mit verschiedenen Gerichten). Es ist ein bisschen von allem dabei. Von jeder Emotion und jedem Style."
"The Romantics" ist seit 14. Februar 2023 auf Netflix zu sehen.
Adaption aus dem Englischen: Julia Hitz.