Mindestalter für Kinderarbeit gesenkt
18. Juli 2014In einer Zeremonie im Präsidentenpalast Quemado in der Hauptstadt La Paz hat der bolivianische Vizepräsident Alvaro Garcia Linera das Erlassungsdekret zum Gesetz über Kinderarbeit unterzeichnet. Das Gesetz war Anfang Juli vom Parlament verabschiedet worden. Bisher lag das gesetzliche Mindestalter für Arbeitnehmer bei 14 Jahren - ausnahmslos.
Künftig gibt es Ausnahmen von der 14-Jahres-Grenze, die jedoch von den Eltern und den lokalen Kinder-Beauftragten bewilligt werden. Nun ist es erlaubt, dass Kinder schon ab dem zehnten Lebensjahr selbständig arbeiten können, unter der Voraussetzung, dass sie unter elterlicher Überwachung stehen und zur Schule gehen. Bei Unternehmen dürfen in Zukunft Kinder ab zwölf Jahre arbeiten, wenn die Arbeitgeber die körperliche und geistige Gesundheit der Minderjährigen garantieren und diese nicht ausbeuten. Die maximale tägliche Arbeitszeit Minderjähriger wird auf sechs Stunden festgelegt.
"Boliviens Realität ist anders"
Vizepräsident Garcia sagte: "Es wäre einfacher gewesen, wenn wir ein Gesetz gemäß den internationalen Konventionen zugelassen hätten, aber das war nicht möglich, weil Boliviens Realität andere Bedürfnisse hat". Das Gesetz tritt am 6. August in Kraft. Dann wird Bolivien das erste Land der Welt sein, das die Kinderarbeit unter bestimmten Voraussetzungen ab zehn Jahre legalisiert.
Die Internationale Arbeitsorganisation ILO kündigte eine Überprüfung des Gesetzes an. Die ILO-Konvention 138 schreibt vor, dass Kinder unter 15 Jahren nicht arbeiten dürfen. Allerdings kann das Mindestalter in Entwicklungsländern auf 14 Jahre gesenkt werden. Die Konvention gilt auch für Bolivien. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HWR) wandte sich gegen die Neuregelung. "Es ist ein schrecklicher Schritt", sagte der HWR-Mitarbeiter Jo Becker. Alle einschlägigen Studien zeigten, dass Kinderarbeit das Problem der Armut nicht löse, sondern endlos fortsetze. Dagegen begrüßte das internationale Kinderhilfswerk "terre des hommes" die Entscheidung Boliviens und bezeichnete sie als "ein Schritt in die richtige Richtung". "Die Tatsache, dass die Kinder einen Ansprechpartner von Seiten des Staates haben, ist ein riesiger Fortschritt" sagte Peter Strack, Leiter des Organisationsbüros in Bolivien.
Bolivien gilt als einer der ärmsten Länder der Welt. Die finanzielle Not zwingt laut einer Studie der Regierung und der Kinderhilfsorganisation UNICEF etwa 850.000 Kinder zwischen fünf und 17 Jahre zum Arbeiten. Das entspricht 28 Prozent dieser Altersgruppe.
am/kle (dpa, afp, kna, ape, epd)