Bioanbau als Alternative
29. Dezember 2018Liebevoll lässt Rakash Chinappa die Zweige mit den feinen Schoten durch seine Finger gleiten. Die gelben Bio-Linsen sind etwas Besonderes. Früher hat der Kleinbauer aus Kodalipura im indischen Bundesstaat Karnataka nur Chili angebaut. Heute ist aus der Monokultur scharfer Schoten ein Vielfrüchtefeld geworden. Am Rande seines Halbhektar großen Ackers wachsen kräftige Linsen- und Bohnensträucher. Auf dem Feld recken sich Chili- und Okraschoten gegen den blauen Himmel. Aus der Krume bricht Dill und Koriander.
"Ich baue jetzt biologisch an", sagt der 43-Jährige stolz. Abnehmer ist die Kooperative Sahaja Organics aus Bangalore. Sie unterhält eine Ankaufstation, weniger Minuten von Chinappas Feld entfernt. Dort liefern 40 Bio-Landwirte aus dem Umkreis ihre Erzeugnisse ab. Sie versorgen damit Verbraucher in der rund 40 Kilometer entfernten Millionenmetropole.
Landwirtschaft in Indien - ein wichtiger Wirtschaftsfaktor
Auf dem Feld von Chinappa scheint die wuselige Großstadt in weiter Ferne. Bienen summen und Schmetterlinge flattern vorüber. Die grünen Bohnen sind knackig und schmecken mild nach Nuss. Von selber wäre er nicht auf die Idee gekommen, auf Bioanbau umzustellen, erzählt er. Die Nationale Landwirtschaftsbank NABARD hat mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein Programm ins Leben gerufen, um nachhaltige Praktiken in Indiens Landwirtschaft zu fördern. Das propagiert sie unter indischen Bauern.
Alternativen sind wichtig in einem Land, in dem der Agrarsektor immer noch rund 17 Prozent der Wirtschaftsleistung erbringt und, so die KfW, "direkt oder indirekt die Lebensgrundlage für zwei Drittel der Bevölkerung" bildet. Außerdem ist die Landwirtschaft eine bedeutende Verursacherin von Treibhausgasen, etwa wegen des Einsatzes von mineralischem Dünger. Und sie verbraucht viel Wasser.
Dünger aus Dung, Milch und Zucker
Beide Aspekte spielen auch auf dem Feld von Bauer Chinappa eine Rolle. Mit technischer Hilfe der Kooperative hat er auf Tröpfchenbewässerung umgestellt. Dadurch verbraucht er nur halb so viel Wasser als wenn er konventionell mit dem Eimer gießen würde. Was für sein persönliches Wohl noch wichtiger ist: Er verwendet ausschließlich biologischen Dünger. "Von dem chemischen Dünger habe ich Kopfschmerzen bekommen und mir war oft übel", erzählt er. "Das ist jetzt vorbei".
Die Bio-Bauern von Bangalore machen ihren Biodünger selbst. Sie nennen ihn Panchajanya - einem Begriff aus der Hindu-Mythologie, der mit der Zahl Fünf verknüpft ist. Fünf Zutaten sind es auch, die mindestens in den Bio-Nährstoff-Mix für den Acker kommen: Kuhurin, Kuhdung, das Speisefett Ghee, Buttermilch und Rohrzucker - dazu sofern vorhanden Neem- und Erdnussreste. Die Mischung muss regelmäßig gerührt werden und 20 Tage fermentieren. Dann kann der Dünger auf das Feld.
Stabileres und höheres Einkommen dank Bio
Für Bauern wie Chinappa lohnt sich die Umstellung. "Ich verdiene heute 30 Prozent mehr als vorher. Und die Einnahmen sind stabiler, weil ich nicht mehr von den Preisen für Chili alleine abhängig bin", sagt er. Jetzt verdient er mit seinem kleinen Feld etwa 250 Euro im Monat.
Auch die Vermarktung ist einfacher geworden. Früher musste er mit seinem Mofa bis nach Bangalore fahren, um seinen Chili zu verkaufen. Jetzt bringen die Bauern ihre Ware zur dezentralen Ankaufstation, wo sie Lieferwagen zu Verladestellen der Kooperative transportieren.
Bioabsatz auch in Indien im Aufwind
Eine davon befindet sich in einem ländlichen Vorort der Zehn-Millionen-Stadt. "Von hier werden sie nach Bangalore und andere Teile Indiens gebracht", sagt Krisna Prasad, einer von zwei Direktoren der Kooperative. Die indische Nachfrage für Bioprodukte wachse und erreiche mittlerweile ein Prozent am nationalen Gemüse - und Getreideverbrauch. Während in den heimischen Märkten Bioprodukte oft bis zu 100 Prozent teurer seien als konventionelle Ware, betrage der Unterschied bei der Kooperative Sahaja Organics nur 20 bis 30 Prozent.
Die Kooperative arbeitet in Karnataka mit 700 und in ganz Indien mit 2000 zertifizierten Landwirten zusammen. Die Umstellung vom konventionellen auf Biobetrieb dauert drei Jahre. Deshalb widmeten viele größere Bauern, die mehre Hektar Land zur Bewirtschaftung haben, die Fläche peu à peu auf Ökolandbau um. Pro Hektar erwirtschaften sie damit einen Ertrag von 450 bis 500 Euro, rechnet Prasad vor.
Vielfalt bewahren
Neben einem besseren Einkommen und dem schonenden Umgang mit Boden- und Wasserressourcen geht es Sahaja noch um etwas anderes: "Wir unterhalten eine Samenbank, um die Vielfalt indischer Landwirtschaft zu bewahren", sagt Anitha Reddy, eine der Gesellschafterinnen der Kooperative. "Die Samenbank liegt in der Verantwortung der Frauen." Es gebe einige Biofarmen, die von Frauen geleitet werden, sagt sie.
Die Kooperative handelt derzeit fast 40 traditionelle Reis- und mehr als 50 Gemüse- und Obstsorten. In Säcken lagern loser Reis, Bohnen und andere Hülsenfrüchte und Gemüse. Gewürze wie Kardamom, Kurkuma oder Zimt gibt es abgepackt ebenso wie geschälter und roher Reis, Zucker oder Honig.
Ziel: der Markt in Deutschland
Neben den heimischen Sorten hat Sahaja auch Exoten im Programm, etwa das aus Lateinamerika stammende Quinoa-Getreide und die Ölsaat Chia. Die Nachfrage nach diesem "Superfood" boomt in Europa. Die Preise sind hoch. Das weiß auch Sahaja-Direktor Prasad.
"Wir wollen damit in den Export", erklärt er. Der erste Auftritt auf einer Biofachmesse in Deutschland stehe im Frühjahr 2019 an. Gelingt der Schritt, sind vielleicht auch die Bio-Linsen von Kleinbauer Chinappa aus Kodalipura in den Regalen deutscher Bio-Märkte künftig zu finden.