Bill Gates im Softwarewunderland Israel
26. Oktober 2005Als Bill Gates am Mittwoch (26.10.2005) Israel besuchte, erwartete ihn ein volles Programm: Der Microsoft-Gründer hielt vor 2500 Wirtschaftsführern einen Vortrag, Premierminister Ariel Scharon traf ihn, er setzte sich mit dem Finanzminister Ehud Olmert zusammen, die Chefs führender Unternehmen, die Microsoft-Produkte benutzen, hörte er an und plauderte mit elf hochbegabten jugendlichen Programmierern.
Dass der Aufsichtsratsvorsitzende des weltgrößten Software-Konzerns im Zuge eines Europa-Besuchs auch in Israel Station macht, ist ebenso wenig ein Zufall, wie die Tatsache, dass er vom Staatschef persönlich empfangen wird. Denn Israel hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der weltweit wichtigsten High-Tech-Standorte entwickelt. Für die israelische Wirtschaft gewinnt insbesondere die IT-Industrie immer mehr an Bedeutung.
Eine Fabrik für vier Milliarden Dollar
Erst unlängst entschloss sich der Chip-Hersteller Intel zu einer gigantischen Investition: In Kirjat Gat soll eine vier Milliarden Dollar teure Halbleiterfabrik entstehen. Eine dort schon 1999 gebaute Fabrik wird modernisiert. Derzeit beschäftigt der Konzern 6000 Mitarbeiter in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Herstellung; mit der neuen Fabrik werden es dann 2000 mehr sein. Bei der Investitionsentscheidung setzte sich Israel gegen die Konkurrenten Irland und Indien durch - auch, indem der Staat den Bau mit 525 Millionen Dollar unterstützt.
Zahlreiche Weltkonzerne sind ebenfalls in Israel aktiv. Die Siemenstochter SVC sei über einen Wagniskapitalfonds an rund 50 Start-up-Unternehmen beteiligt, sagt Siemens-Sprecher Christian Kuhna. Durch die Anschubfinanzierung von insgesamt etwa 50 Millionen Euro sichert sich der Konzern den Zugang zu den technischen Entwicklungen der Firmen. Auch DaimlerChrysler und die Deutsche Telekom beteiligen sich an Firmenneugründungen. SAP hat sein Enwicklungsteam in dem Land in drei Jahren von 50 auf 500 Mitarbeiter vergrößert. "Was technologische Entwicklungen angeht, hat Israel eine immer größere Bedeutung", sagt Siemens-Sprecher Kuhna.
Einwanderung von Know-how
Die Hälfte der israelischen Exporte stammt inzwischen aus den Bereichen der Informations- und Kommunikationstechnologie, die etwa 17 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachen. Hatte in den 1990-er Jahren die vermeintliche Aussicht auf Frieden die Wirtschaftsentwicklung beflügelt, brach das Wachstum mit Beginn der Zweiten Intifada ein. Doch langsam fasste die Wirtschaft wieder Tritt, im vergangenen Jahr lag das Wachstum bei 3,9 Prozent.
Als ein Grund für den Entwicklungsschub seit den 1990-er Jahren gilt auch die Einwanderungswelle von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion. Die neuen Bürger stellen rund 16 Prozent der Gesamtbevölkerung von 6,3 Millionen und sind vielfach hoch qualifiziert. Das Land hat heute den weltweit höchsten Anteil an Ingenieuren und Naturwissenschaftlern. Auch bei Investitionen in Forschung und Entwicklung liegt Israel an der Weltspitze - mit 4,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen sie beispielsweise 1,7 Prozent höher als in Deutschland.
Wachstumsbranche Biotech
Zu einer zunehmend bedeutenden Branche entwickelt sich auch die Biotechnologie; mehr als 150 Unternehmen sind derzeit in diesem Bereich tätig. "Israel hat hier viel zu bieten - es ist ein Standort mit einem großen Potenzial", sagt Andreas Scriba von der Vereinigung deutscher Biotechnologie-Unternehmen. Anders als etwa in Deutschland ist in Israel auch die Stammzellenforschung möglich - da im jüdischen Glauben Leben im engeren Sinne erst nach der Geburt beginnt, wirft die Arbeit mit embryonalen Zellen keine ethischen Probleme auf.
An einem drei Milliarden Euro teuren Hochgeschwindigkeitsnetz, das die Deutsche Telekom in Deutschland aufbauen will, werden israelische Firmen maßgeblich beteiligt werden - wie schon bei anderen Großprojekten in der Vergangenheit. "Es gibt zahlreiche Lösungen, die aus Israel kommen", sagt Telekom-Sprecher Hans-Martin Lichtenthäler. Schon Anfang der 1990-er Jahre hätten israelische Firmen geholfen, die Leitungskapazitäten zwischen Ost- und Westdeutschland auszubauen.
"Die Israelis sind sehr innovativ in Sachen Datensicherheit", sagt Lichtenthäler. Vor einigen Wochen schloss die Telekom daher eine Entwicklungsvereinbarung mit der Ben Gurion Universität in Beersheva, die als eine der weltweit führenden Universitäten im Bereich Netzwerksicherheit gilt. "Angesichts der Probleme mit Viren, Würmern und Schrottmails brauchen wir eine besonders sichere und innovative Lösung", sagt Lichtenthäler. Diese solle ein Projektteam der Universität in dem mehrjähriger Arbeit entwickeln.
An der Gurion-Universität wird auch Bill Gates bei seinem Besuch nicht vorbeikommen: In Tel Aviv trifft er den Universitäts-Präsidenten Avishay Braverman.